Damit hat es angefangen. Als Christel Werner und Titus Häussermann auf Kontext zukamen und fragten, ob der Kontext-Verein ihre beiden Stadtteilzeitungen übernehmen möchte, waren wir überrascht. Das Verlegerpaar, das früher den Silberburg-Verlag geführt hat, wollte das "Blättle Stuttgart-Süd" und das "Blättle Stuttgart-West" in guten Händen wissen. Das hat uns gefreut. Gelten die "Blättle" doch als gut gemachte Stadtteilzeitungen. Und die sind mehr als nötig, denn das ansässige Pressehaus hat die Berichterstattung aus den Stadtbezirken nahezu eingestellt. Offenbar ist man dort der Meinung, dass demokratische Öffentlichkeit auch ohne Journalismus geht.
Damit liegen sie im Trend, was die Sache nicht besser, sondern prekärer macht, weil guter Lokal- und Sublokaljournalismus in einer Zeit, in der die Rechten auf dem Vormarsch sind, absolut unverzichtbar ist. Denn wer weiß, was in seinem Stadtteil passiert und warum politische Entscheidungen – gute und schlechte – wie getroffen werden, geht der AfD nicht auf den Leim, ist weniger anfällig für Populismus. Das ist wohl das beste Argument, auf keinen Fall nein zu sagen zu so einem Angebot.
Dann aber kamen die Fragen. Die Kontext:Wochenzeitung ist von Anfang an werbe- und anzeigenfrei konzipiert. Verträgt sich das überhaupt mit zwei Blättern, die sich aus Werbeeinnahmen finanzieren? Und andersrum: Vertragen die Werbekunden den Journalismus von Kontext? Beide Fragen stellen sich. Denn auch wenn beide Unternehmen strikt voneinander getrennt sind und der Kontext-Verein für die "Blättle" eine eigene GmbH gründet, darf der Idealismus nicht unterschätzt werden, der Kontext einst Flügel verliehen hat.
Was ist, wenn die Bundeswehr eine Anzeigen schalten will, wie das mal bei der taz hochumstritten war?, fragen Mitglieder – macht ihr jetzt auch auf Kapitalismus wie alle anderen? Und was ist mit der Gemeinnützigkeit, die für Kontext existenziell wichtig ist? Da können wir Entwarnung geben. Der Vorstand des Kontext-Vereins hat's gecheckt und grünes Licht gegeben. Zum Großkapital wird der Kontext-Verein auch mit eigener GmbH für zwei "Blättle" nicht zählen, und Kontext wird sich weiterhin nahezu ausschließlich über Spenden finanzieren. Nicht zuletzt versichern wir: Bei der Kontext:Wochenzeitung wird alles beim Alten bleiben. Auch die Mitglieder haben die Chancen erkannt, die sich uns durch die beiden "Blättle" bieten. Und einstimmig (bei einer Enthaltung) dafür gestimmt.
Kampffeld der AfD
Dass sich ein gemeinnütziges Projekt wie Kontext nun auch im (Sub-)Lokalen engagiert, sorgt in Berlin für den meisten Beifall. Etwa 100 Gäste aus Politik, Medien und Gewerkschaften haben sich auf Einladung der Rudolf-Augstein-Stiftung in der Hamburger Landesvertretung eingefunden. Auch Kontext-Mitgründerin Susanne Stiefel ist eingeladen, um über Kontext zu berichten. Es geht um die Lage der Lokalpresse in Deutschland, und die ist mies. Und sie ist ein neues Kampffeld der AfD.
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