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Die Waffen einer Frau

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Vergangenen März haben wir einen Artikel veröffentlicht über die grüne Landtagsabgeordnete Ayla Cataltepe, Wahlkreis Göppingen. Seit Jahren wird sie vom AfD-Landtagsabgeordneten Hans-Jürgen Goßner, auch Wahlkreis Göppingen, und dessen Truppe verfolgt, verhöhnt, angegangen, strapaziert, als hätten diese AfDler nichts Wichtigeres zu tun, als dieser Frau das Leben schwer zu machen. Keine Cataltepe-Veranstaltung ohne dass Goßners Rudel parat steht mit Megafon, schlechten Witzen, dummen Sprüchen und einem roten Kinderroller. Der gehörte wohl Cataltepe, bis eine Nachbarin und offenbar Goßner-Vertraute ihn stahl und für sich reklamierte. Die "Bild"-Zeitung schaltete sich ein und bauschte die Story zum "Rollergate" auf, und Goßner wird nicht müde, die olle Kamelle immer wieder aus dem Hut zu ziehen. Später kassierte sein Kreisverband eine Rüge des Landesdatenschutzbeauftragen, als er ein Foto von Cataltepes Baugrundstück über Social Media verbreitete. Die ganze Geschichte ist hier nachzulesen.

Ob das nun wirklich alles schlimm ist? Zumindest zehrt es an den Nerven – wie ein Tropfen, der stetig in eine Wunde tropft. Tropf, tropf, tropf. Am vergangenen Wochenende, zum Göppinger Stadtfest, hatte Cataltepe vor ihrem Wahlkreisbüro einen Infostand aufgebaut, und wer kam? Schon wieder Goßner und seine Crew. Ob sie nun ins Büro der Abgeordneten eindrangen, wie es die FAZ schreibt, oder nur vor dem Infostand fotografierten, wie die "Bild" schreibt, konnte bis Redaktionsschluss nicht abschließend geklärt werden. Jedenfalls soll es ein Handgemenge zwischen AfD, Grünen und SPD gegeben haben, bei dem Goßners Kumpel Dieter Blaha dem Vernehmen nach seine Hand auf Cataltepes Schulter gelegt habe. Die rechte "Weltwoche" aus der Schweiz schreibt, er habe sie "sanft berührt". Cataltepe fuhr wohl herum und soll Blaha dabei mit den Fingernägeln am Arm erwischt haben. "Das Blut lief den Arm des früheren Betriebsschlossers herunter", schreibt die neurechte Zeitung "Junge Freiheit". "Am Ende floss Blut!", brüllt "Bild". In der "Weltwoche" kommentiert einer: "Das ist erst der Anfang, die Straßenkämpfe werden unausweichlich kommen!"

Also stellt man sich vor, wie dem übel Zugerichteten der Arm amputiert werden muss, wie er kurz vor der Blutvergiftung unterm grünen Sonnenblumen-Sonnenschirm auf dem harten Göppinger Asphalt darniederliegt und röchelt. Sich mit letzter Kraft unter den Infostand der AfD schleppend, seinen Weg zeichnet eine Spur tiefroten Blutes. Straßenkampf mit den Grünen! Mit Ayla Cataltepe, mindestens 1,65 Meter geballte Gefahr.

Nun hat "Bild" ein Foto von Blaha veröffentlicht, auf dem er sich mit leidendem Blick das Handgelenk hält, als sei es ein verletzter Hamster. Die "Wunde": lächerlich. Wirklich. Im Kindergarten hätte einer gepustet und ein Pflaster draufgeklebt. In der Welt der Landespolitik aber wurde von den starken AfD-Männern selbstredend Anzeige gegen die kratzbürstige Cataltepe erstattet. Fazit: Waschlappen.

Eine ganz schön liberale Grafik

"Jung & unabhängig" sind Menschen unter 24, wenn sie ein Auto besitzen. So sieht es zumindest das FDP-geführte Bundesverkehrsministerium, das den "absoluten Rekord" bei den jungen alten Autohalter:innen mit einem entsprechenden Tweet bejubelt. Abgerundet wird die realsatirische Öffentlichkeitsarbeit durch eine stümperhafte Grafik, bei der Balkengröße und Zahlenwerte in einem sehr losen, man könnte sagen: liberalen Zusammenhang stehen. War denn wenigstens die Quelle seriös? Die Daten hat das Ministerium aus der "Bild" übernommen. Für die Kontext-Redaktion eine Steilvorlage, das Gespräch unserer Redakteurin Susanne Stiefel mit Verkehrsexpertin Katja Diehl zu empfehlen, als Antidot gegen den Autowahn.


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7 Kommentare verfügbar

  • Bernd Letta
    am 16.09.2023
    Antworten
    Eine Bekannte, die vor Ort war, hat mir das Geschehene auf Nachfrage sehr genau geschildert - das was dort Geschehen ist, war ein bewusste Provokation und ein abgekartetes Spiel des Herrn Gößner und seiner Sympathisanten und diese bekommen nun einmal mehr viel zu viel Sympathie von der BILD bekommen…
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