KONTEXT:Wochenzeitung
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Alle unterm Tisch

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Mit jeder Seite wird der Zorn größer. Da schreibt ein Mappus-Mitarbeiter in vertraulichen Mails, dass es "hilfreich" wäre, wenn der S-21-Schlichterspruch mit Geißler "vorab abgestimmt" werden könnte. Damit er zur "Lebensversicherung" für die CDU-Regierung werde. Sollte nicht alles auf den Tisch, sollten nicht alle an den Tisch? Das hatte zumindest Schlichter Geißler gefordert.

Stattdessen fallen Mappus' Spin Doktoren jede Menge Schmutzeleien ein, wie der "Herr MP" agieren sollte. Was er sagen soll, was er auf keinen Fall sagen soll, was die anderen Zeugen gesagt haben. Nachzulesen in den Aufzeichnungen eines Ministerialrats, der im Staatsministerium (Stami) für "Stuttgart 21" zuständig war. Ehrenamtlich dient er der katholischen Kirchengemeinde "Mariä Himmelfahrt" in Stuttgart-Degerloch als Diakon mit besonderem Augenmerk auf Kranke und Benachteiligte. Mag sein, dass ihm der Herr verzeiht, wenn er die Schamlosigkeit beichtet, die aus den Kontext vorliegenden Dokumenten scheint.

Dieter Reicherter verzeiht nicht. Er kämpft. Und das seit vielen Jahren. Zusammen mit seinen Freunden Gert Meisel, Robert Vogt und Anwalt Frank-Ulrich Mann. Ihnen ist zu verdanken, dass jetzt schwarz auf weiß festgehalten ist, was nicht wirklich überraschend ist, aber in seiner niedergeschriebenen Unverfrorenheit doch Schluckbeschwerden macht. Daher auch der Zorn, deshalb auch die Veröffentlichung im Original.

Hier ist einfach alles drin. Die Verachtung des Wahlvolks, des Parlaments, der demokratischen Öffentlichkeit, das ausschließliche Interesse am Machterhalt – und die bodenlose Ignoranz dessen, was man vorgibt zu befördern: eine bessere Bahn.

All das hätten die Grünen, so sie es je gewollt hätten, ans Licht holen können. Wenn es Mappus' Nachfolger ernst gewesen wäre. Auf den Tag genau, am 17. August 2010, hat Winfried Kretschmann noch betont: "Man kann mit Baggern Gebäude einreißen und mit Kettensägen Bäume wegräumen, aber nicht den demokratischen Protest." Und er versprach einen "erbitterten Kampf" gegen den Tiefbahnhof. Das Gegenteil ist gekommen. Oder war mehr Bürgerbeteiligung, mehr Transparenz, mehr Gehörtwerden? Hat irgendjemand im seit 2011 grün geführten Stami Reicherter unterstützt? Und das ist der zweite Skandal.

Kontext hat diesen Prozess der fortwährenden Enttäuschung von Beginn an begleitet. Mit unzähligen Artikeln, von denen einer bereits 2014 mit der Überschrift "Mappus' Weisung" überschrieben war. Ein Text von Johanna Henkel-Waidhofer, der belegt hat, dass Mappus eben doch auf den Polizeieinsatz am "Schwarzen Donnerstag" Einfluss genommen hat. Mit einem Buch von Dieter Reicherter und Jürgen Bartle ("Unerhört.Ungeklärt.Ungesühnt."), die Tage und Wochen damit zugebracht haben, den Stuttgarter Wasserwerfer-Prozess zu beobachten. Im Sinne der Kontinuität wartet Kontext in dieser Ausgabe mit einer weiteren Geschichte der Kollegin auf:  Bei der Bürgerbeteiligung hakt es immer noch.


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1 Kommentar verfügbar

  • Thomas Albrecht
    am 17.08.2022
    Antworten
    Mein Vertrauen in die Landesregierung Kretschmann I und II hat hisher schon gelitten, denn einen neuen Politikstil habe ich mir anders vorgestellt. Aber dass man die Gesetzesverstösse der Vorgängerregierung deckt, das ist unfassbar. Sieht so der reale Politikbetrieb aus? Ob es euch gelingt, sooo…
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