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Es ist noch Platz in Tengen

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Der Dino aus Backnang, Frank Nopper, freut sich am meisten auf die Eröffnung des Volksfestes. Er ist ein Konservativer. Der Rotschopf aus dem Stuttgarter Rathaus, Hannes Rockenbauch, kriegt leuchtende Augen, wenn er von heimgesuchten Häusern erzählt. Er ist ein Linker. Der junge Mann aus Tengen, Marian Schreier, findet vor allem seine eigene Coolheit aufregend. Aber was ist er? Der "schwäbische Macron", wie ihn manche nennen? Oder vielleicht doch eher Sebastian Kurz, wegen Alter und Haaren?

Zunächst einmal ist er ein schlaues Kerlchen. Links und rechts, ach was, längst überholte Kategorien, alte Denkmuster, ab auf den Friedhof der Geschichte. Für Frieden ist er natürlich auch. Schreier ist Mitte, irgendwie moderne, progressive Mitte, wo immer sie sein mag. Bloß nicht festlegen, man könnte daran erinnert werden. Kein Problem damit, von der eigenen Partei mit Ausschluss bedroht und wenig später vom selben Verein unterstützt zu werden. Schreier wird immer sagen, er sei unabhängig, von einer Umkipppartei wie der SPD allemal. Bis er die alte Tante wieder brauchen kann. 

Da ist die Schweizer Initiative "Operation Libero" eine andere Nummer. Schreier lobt sie als eine der "vielgeachtetsten Organisationen in Europa". Sie schleppt keinen Ballast namens Tradition mit sich herum. Nicht den ewigen Kampf zwischen Kapital und Arbeit. Den hat sie, seit ihrer Gründung 2014, entschieden. Keine "Rundum-Versorgung" der BürgerInnen, Ermunterung zur Eigeninitiative, aber auch, im gesellschaftspolitischen Teil, gegen Rechtspopulismus und für Zuwanderung – zur Sicherung des Wohlstands. Eine flotte Mischung aus neoliberaler Wirtschaftspolitik und liberaler Gesellschaftspolitik. Und das klingt verdächtig nach FDP.  

Das Programm passt zum Personal. Junge Akademiker aus bürgerlichen, liberalen Elternhäusern, unterstützt von ehemaligen Politikern wie dem Sozialdemokraten Tim Guldimann, der als ehemaliger Nationalrat und Botschafter in Berlin zur eidgenössischen Elite zählt. Ein weit gereister Diplomat, Iran, Kosovo, Tschetschenien, Jahrgang 1950, dem die Schweiz als Heidiland wohl zu eng geworden ist. Für Schreier wird er zum Berater für "internationale Städtepartnerschaften" und reist dafür eigens aus Berlin an, wo er mit einer "Spiegel"-Journalistin lebt. Er weiß einen wohlerzogenen Jungen aus gutem Hause neben sich in der Stuttgarter Caffè-Bar, der in Oxford und im Büro von Peer Steinbrück (SPD) war, der wiederum Kanzlerkandidat, teurer Vortragsreisender und später Kabarettist war. Er mache das pro bono, versichert Guldimann Kontext-Autor Jürgen Lessat, der die Schweiz-Connection recherchiert.

Nun darf man annehmen, dass der Ex-Botschafter nicht nach Tengen gekommen wäre. In jenes Städtchen, in dem der junge Bürgermeister offenbar gemocht wird. Kontext ist gefahren, wollte wissen, was da los ist. Im Habitat des Jungpolitikers, den man dort nie vermuten würde. Gesa von Leesen hat tapfer beim Gemeinderat gesessen, Jo E. Röttgers bei Tageslicht Enten im Dorf und abends Marian Schreier beim Interview mit der Kontext-Redakteurin fotografiert. Was ist dran an dem 30-Jährigen? Der Junge sei gar nicht so unsympathisch, sagt sie, aber auf der Bank, von der man einen schönen Blick auf Tengen habe, sei noch Platz.


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