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Atemlos

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Verdammte Axt. Helene Fischer hat eine neue Frisur. Die wallenden blonden Locken sind ab, schnippschnapp, und einer "kurzen, frechen Haarlänge" ("Gala") gewichen. Die Stuttgarter Fans (45 000 an der Zahl) waren am vergangenen Sonntag die ersten, die den "idealen Sommer-Look" (ntv) aka den "Frisur-Schock!" ("Focus") live bewundern durften. Zwei Stunden lang, untermalt von 60 Flammendüsen und einer halben Tonne Pyrotechnik. Tags zuvor waren schon die Toten Hosen da (Fans: 65 000). Sänger Campino hat keine Hörprobleme mehr und die gleiche kurze, freche Haarlänge wie immer. Was uns ein bisschen Sorgen macht: Kontext-Redakteur Minh Schredle hielt die Massen in der samstäglich konzertbedingt vollgestopften S-Bahn für Fischer-Fans.

Aber Stuttgart kann nicht nur Helene Fischer und Tote Hosen. Stuttgart kann auch Autos, die irgendwann, so die Verheißung, elektrisch in nur 3,5 Sekunden von Null auf 100 beschleunigen sollen. Das ist schneller, als Helene "atemlos" sagen kann, selbst mit neuer Frise. Präsentiert wurden die kommenden Wunder-Cars am Samstag zum Autogipfel als diejenigen, die die Welt erstens vor dem drohenden Untergang und den Menschen zweitens (und noch schlimmer) vor dem drohenden Verlust eines Automobils bewahren soll. Heißa, da geht was.

Andernorts an diesem Samstag geht es nicht nur, es läuft vielmehr schnurstracks aus dem Ruder. Die AfD-Frontfrau Alice Weidel besucht den Bürgersaal in Stuttgart-Vaihingen. Uff. Und das auf der ganzen Linie. Draußen vor der Halle stehen GegendemonstrantInnen hinter Transparenten und werfen Eier, auf der anderen Seite der Absperrung pöbeln AfD-Besucher, einer davon ohrfeigt eine Demonstrantin, die watscht einem Polizisten eine, weil der den Ohrfeiger nicht aufgehalten hat, und drinnen sitzen – demonstrativ beschützt von 13 sprungbereiten Ordnern – hochzufrieden Weidel und Co., denen die Wut vor der Halle super zu Pass kommt. Da kann man sich wunderbar zum Opfer stilisieren, aller Fakten ungeachtet.

"Hass ist Gift" stand wohlwissend auf einem Plakat bei der Kundgebung "Leben retten ist kein Verbrechen", die an diesem demonstrationsschwangeren Samstag auf dem Stuttgarter Schlossplatz stattfand. In dieser Ausgabe dokumentieren wir die <link https: www.kontextwochenzeitung.de debatte rede-seawatch-5242.html _blank internal-link-new-window>Rede von Ruben Neugebauer, dem Kopf der SeenotretterInnen-Organisation Sea Watch. A propos Kundgebung gegen Hass: Zehntausende Menschen sind am Sonntag in München gegen die Politik der CSU auf die Straße gegangen. Alle Achtung.

Nicht nur die Art sondern auch die Wahl des Ortes ist beim Demonstrieren wichtig. Als die Bahn vergangene Woche einen <link https: www.kontextwochenzeitung.de schaubuehne hurra-hurra-der-lutz-ist-da-5228.html _blank internal-link-new-window>Erweckungsgottesdienst, pardon, den Durchstich des Feuerbacher Tunnels feierte, waren auch die Stuttgarter SÖS-Linke-Plus-Stadträte Tom Adler und Hannes Rockenbauch dabei. Während Bahnchef Lutz gerade seine ersten Worte auf einer S-21-Baustelle sprach, riefen sie "Oben bleiben!" und präsentierten ein Transparent, woraufhin sie abtransportiert wurden. Ein Security-Mitarbeiter packte dabei Adler am Schlafittchen: "In diesem Tunnel haben Sie ab sofort Hausverbot!"

Ob das auch noch für die Zeit gilt, wenn Züge durch den Tunnel zockeln? Das übrigens kann noch länger dauern. Denn ein "Tunneldurchstich" war das noch gar nicht (Danke an unsere aufmerksamen Leser!). Ein echter Durchstich ist per Definition die Herstellung einer Verbindung zwischen zwei Tunnelenden. Und beim Feuerbacher Tunnel fehlen, ausweislich der <link http: www.bahnprojekt-stuttgart-ulm.de baustelle vortrieb-und-aushub-fuer-tunnelbau s21-vortrieb-und-aushub _blank external-link-new-window>S-21-Projektseite insgesamt noch um die 310 Meter. Wenn es mit der bisherigen Vortriebsgeschwindigkeit weitergeht (im Durchschnitt zwei Meter am Tag), kann der echte Tunneldurchstich also erst pünktlich zu Weihnachten gefeiert werden – was das überschwängliche Brimborium vom vergangenen Dienstag noch deutlich alberner als ohnehin schon erscheinen lässt. #Tunneldurchstichfakenews.

KPM geht

Und dann auch noch das: Staatsminister Klaus-Peter Murawski nimmt seinen Hut. Aus gesundheitlichen Gründen, heißt die offizielle Version. Der Staatsminister leide an sogenannten Cluster-Kopfschmerzen. Nebenwirkungen einer notwendigen medikamentösen Dauerbehandlung seien mit den großen Belastungen des Amtes unvereinbar. Tatsächlich ist der 68-Jährige seit vielen Jahren chronisch krank. Dennoch wird gemunkelt, dass der Betrugsskandal rund um die Anwerbung ausländischer Patienten im Stuttgarter Krankenhaus, zwar nicht Ursache, aber doch Auslöser für den Rückzug ist. Die Affäre ist jedenfalls noch lange nicht ausgestanden. Die Staatsanwaltschaft ermittelt nicht gegen ihn, aber gegen 21 aktive oder ehemalige KlinikmitarbeiterInnen und Gesundheitsdienstleister – wegen Untreue, Betrug und Bestechlichkeit. Ministerpräsident Winfried Kretschmann versüßte dem Weggefährten den schmerzlichen Abgang wenigstens mit höchstem Lob, das allerdings auch die Lücke illustriert, die gerissen ist: "Er hat mir mein Haus organisiert, politische Wege bereitet und an erster Stelle dazu beigetragen, dass Baden-Württemberg auch im Bund und bei den anderen Ländern einen hervorragenden Ruf genießt."


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