Der seit zwölf Wochen laufende Wasserwerfer-Prozess in Stuttgart zeigt exemplarisch die Grundsatzfragen in der Beziehung zwischen Behördenapparat und Bevölkerung auf. Was tun die einen, was unterlassen sie lieber, wem gehorchen sie? Und was hat das noch mit den Interessen der anderen zu tun, die das mit ihren Steuergeldern finanzieren?
Im Stuttgarter Prozess kommt ans Tageslicht, mit jedem Verhandlungstag mehr, wie befehlshörig die Polizei agiert, wie politikhörig die Staatsanwaltschaft ermittelt. Einem Stefan Mappus, den die CDU längst auf dem Müllhaufen der Parteigeschichte entsorgt hat, wird Jahre danach Sitzungstag für Sitzungstag Gefolgschaft geleistet: Alles war rechtmäßig, keiner der Großkopfeten hat Schuld, und wie viele verletzt worden sind, bestimmen wir auch noch!
Das geht durch unter Grün-Rot. Das geht auch durch in den Medien. Die zeigen kaum Präsenz im Gerichtssaal. Aber wenn mal was passiert, dann als ob es einen Boulevard gäbe in Stuttgart: Vergangene Woche, nach der Zeugenaussage des Führers der Wasserwerfer-Staffel, titelten "Stuttgarter Zeitung" und "Stuttgarter Nachrichten" - genauso wie "BILD" - dass es auch Tote hätte geben können am Schwarzen Donnerstag. Hätte es geben können. Hätte man aber seit demnächst vier Jahren schon drüber schreiben können.
Kontext:Wochenzeitung berichtet ausführlich, kontinuierlich und mit vielen exklusiven Informationen, die wir in jahrelanger Recherche zusammengetragen haben. Das sehen nicht alle gern. Die Staatsanwaltschaft Stuttgart hat jetzt ein Ermittlungsverfahren eröffnet gegen die beiden Kontext-Autoren Jürgen Bartle und Dieter Reicherter wegen "Verbotener Mitteilungen über Gerichtsverhandlungen". Anzeige hatte einer der Verteidiger im Wasserwerfer-Prozess erstattet. Die Erste Staatsanwältin, die 2011 die Ermittlungen zum Schwarzen Donnerstag eingestellt hat, erkannte diesmal sofort den Anfangsverdacht und beauftragte die Kriminalpolizei mit den Ermittlungen. Die beiden Beschuldigten sehen dem Fortgang der Sache gelassen entgegen.
Und Justizminister Rainer Stickelberger (SPD) schaut dem Treiben dieser Staatsanwaltschaft seit bald dreieinhalb Jahren nicht nur zu, sondern heißt es immer, wenn gerade Bedarf ist, auch noch öffentlich gut.
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tillupp
am 08.09.2014