Heute schon den Wahl-O-Mat zur Bundestagswahl 2013 gedreht? Die Fragen nach Spitzensteuersatz, Homoehe und Bankenverstaatlichung ehrlich beantwortet, überraschenderweise bei den Violetten gelandet und deshalb unzufrieden mit dem Ergebnis? Macht nichts. Das ist ja das Schöne an diesem Wahlspielzeug: Wem die Partei nicht gefällt, die der Computer ausspuckt, der kann so lange spielen, bis das Ergebnis passt. Ganz anders als im richtigen Leben. Oder sich bestätigt fühlen, dass man sowieso keine Wahl hat, sondern allenfalls seine Stimme abgibt.
Wen am 22. September wählen und warum – das fragen sich viele. Das kleinere Übel, wie immer, oder doch nicht hingehen. Oder eben taktisch wählen, wie es im Wahlkreis I in Stuttgart derzeit diskutiert wird. Dort besteht immerhin die Chance, dass es Cem Özdemir schafft, das bundesweit zweite grüne Direktmandat zu erringen. Zumal die Stuttgarter SPD jetzt sogar offiziell zur Wahlhilfe für den smarten Uracher aufruft. Hallo, Herr Ströbele, Stuttgart-Mitte grüßt Berlin-Kreuzberg! Oder doch lieber Christina Frank von den Linken, die sich als Gewerkschaftssekretärin engagiert im Kampf gegen prekäre Arbeitsverhältnisse und glaubwürdig für sozialen Gerechtigkeit streitet. Derzeit liegt der CDU-Kandidat Stefan Kaufmann laut Prognosen aber nur zwei Prozentpunkte vor dem grünen Bundesvorsitzenden, und auch der erklärte S-21-Gegner Walter Sittler hat seine Enttäuschung über die Landesgrünen weggesteckt und hofft auf einen Direktkandidaten Özdemir. Nun sind aber auch die Linken ausgewiesene Gegner des Milliardengrabs. Es ist ein Kreuz mit der Wahl.
Und dann diese gähnende Langeweile. Dieser zahnlose Wahlkampf, die glatt gebügelten Plakate, die weich gespülten Slogans: Gemeinsam für Deutschland, Das wir entscheidet – Yes, we gähn, wie schon vor vier Jahren. Asymmetrische Demobilisierung nennt das die Politikwissenschaft. Diese Wahlkampfstrategie, die darauf verzichtet, über kontroverse Positionen die Wähler der gegnerischen Partei zu mobilisieren und dabei Gefahr läuft, die Bürger eher einzuschläfern als an die Urnen zu locken. Dass Infas der FDP in der neuesten Umfrage nur vier Prozent vorausgesagt hat, hat nur kurz für Zuversicht gesorgt, dass die überflüssigste aller Parteien endlich mal die Fünfprozenthürde reißt. Die Liberalen werden es mit Hilfe aufgeschreckter Christdemokraten wieder schaffen, ins Parlament einzuziehen.
Wir haben beschlossen, der Langeweile die Stirn zu bieten, weil sie träge macht und eine Sicherheit vorgaukelt, die es nicht gibt. Denn die Lage ist alles andere als langweilig. In Deutschland steht die Energiewende auf der Kippe, und es entstehen immer mehr prekäre Arbeitsplätze mit weit reichenden sozialen Folgen. Europa droht im Zuge der Finanzkrise auseinanderzufallen, und in Syrien ist trotz aktueller Krisendiplomatie ein Eingreifen der USA mit unabsehbaren Folgen noch nicht ausgeschlossen.
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Schlaumeier
am 13.09.2013