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Im Auftrak der Deutchen Post

Im Auftrak der Deutchen Post
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So wie es keine zwei gleichen Kuhfladen gibt, gibt es auch keine zwei gleichen Briefträger, behauptete meine Omi Glimbzsch aus Zittau, als die Postboten noch uniformiert waren und einer aussah wie der andere.

So wie es keine zwei gleichen Kuhfladen gibt, gibt es auch keine zwei gleichen Briefträger, behauptete meine Omi Glimbzsch aus Zittau, als die Postboten noch uniformiert waren und einer aussah wie der andere. Heute klingelte einer meiner fünf Zuträger bei mir – ich kann sie nicht auseinanderhalten! –, um zu fragen, wohin denn um Himmels willen die Fußnagelschneiderin gezogen sei und ob ich ihm nicht die zu gering frankierte Post für den freundlichen muslimischen Anwalt (neben uns) abnehmen könne, der Urlaub bei den Scheichs mache, aber erst in zwei Wochen wieder da sei. Meine Briefträger – die hoheitlichen der echten, der richtigen Post ausgenommen – sind allesamt ungelernt, dafür aber höflich und unterbezahlt und berichten mit der Naivität der heutigen Jugend, was ihnen auf ihren täglichen Botengängen so alles widerfährt. Ich revanchierte mich, indem ich ihnen den richtigen Weg zum Arbeitsgericht zeige.

Die hoheitliche Post, die hoheitliche Bahn, das sind alles Relikte aus Zeiten, in denen die Sozialdemokraten noch eigene Tageszeitungen, Verlage und Abgeordnete hatten und allesamt Genossen waren, wenn auch nur beim Konsum. Zugegeben, das ist jetzt ein Gedankengang, den jüngere Leserinnen dieser Wetter-Glosse nicht sofort nachvollziehen können, so wenig wie mein Bonmot, man habe jetzt eine Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokraten in der SPD gegründet. Heute kann der gelbe Postbriefkasten, wenn überhaupt, von jedem herbeitelefonierten Taxifahrer entleert werden, gelegentlich taucht in unserer Ecke auch ein heruntergekommener VW (früher Volkseigentum) auf, dessen Fahrer ein selbst geschriebenes Schild hinter die Windschutzscheibe gelegt hat: Im Auftrak der Deutchen Post.

Mein Postamt übrigens ist jetzt ein Kaufladen, in dem ich alles kriege, außer einen Post-Rat. Den Sommer über hatte es nur nachmittags geöffnet, die Leute wollen ja auch mal Urlaub. Bei dem Hungerlohn? Lassen wir's.

Was Wunder, dass es ab und an vor meinem Hausbriefkasten auch zu Schlägereien kommt – denn jeder will ja der Erste sein, der hier seinen Brief reinsteckt. Kurz vor Weihnachten (also bald) liegen der Post dann adrett formulierte Wünsche für ein frohes Fest bei – mit der Kontonummer der Zuträger. Ich hatte ja mein Konto jahrelang bei der Postsparkasse, bis die dann Postbank hieß und mir unterm Arsch weg und ungefragt an die Deutsche Bank verscheuert wurde. Kein Problem, sagte ich mir. Als alter Gewerkschaftler weiß man ja, wo man hingehört: Bank für Gemeinwirtschaft. Oder war da auch was?

 

 

Peter Grohmann ist Kabarettist und Gründer des Bürgerprojekts Die AnStifter.


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