Der Abfallmarkt ist groß. Die deutsche Entsorgungswirtschaft beschäftigt rund 267.000 Frauen und Männer und macht etwa 70 Milliarden Euro Umsatz. 2019 fielen laut Statistischem Bundesamt insgesmt 455 Kilogramm Haushaltsabfälle pro Kopf an, davon 157 Kilo Restmüll. Laut einer aktuellen Datenauswertung des Unternehmens Euwid-Recycling besorgen in Deutschland vor allem die Kommunen und Remondis die Abfallsammlung. Demnach wurde 2020 jede zweite Restmülltonne von kommunalen Betrieben abgeholt, womit der Marktanteil der Kommunen seit 2003 um ein knappes Drittel gestiegen sei. Vor allem im Osten sind die Gemeinden führend, in Bayern und Baden-Württemberg setzt man mehr auf die Privaten.
Der Müllmarkt konzentriert sich
Dass bei den Abfall-Ausschreibungen zunehmend weniger Angebote bei den Kommunen eingehen, beobachtet Dirk Kurzschenkel seit geraumer Zeit. Kurzschenkel ist hauptberuflich Chef der Abfallwirtschaft Göppingen, ehrenamtlich Leiter der Arbeitsgruppe Abfallwirtschaft beim Landkreistag Baden-Württemberg. "In Göppingen haben wir auch schon erlebt, dass sich nur ein Anbieter gemeldet hat." Nämlich Remondis. Es sei nicht gut, wenn der Wettbewerb nicht mehr funktioniere. Denn dann steigen die Preise. Der Abfallexperte findet allerdings, dass die Kommunen selbst etwas für mehr Wettbewerb tun könnten: "Man muss den Markt genau beobachten: Welche Unternehmen gibt es in meiner Region, was können die?" Dann käme es darauf an: "Wie schreibe ich aus? Um kleineren Unternehmen eine Chance zu geben, kann ich Bietergemeinschaften zulassen oder ich schreibe Leistungen wie Container und Transport getrennt aus." Die Entwicklung, dass zunehmend kleinere Firmen verschwinden, sei zum Teil durch die Kommunen selbst verschuldet. "Vor zehn Jahren war es in Baden-Württemberg Usus, alle Leistungen in eine große Ausschreibung zu packen. Da kann ein Mittelständler nicht mitbieten." Dann bleiben eben die Großen übrig.
Gut zu sehen an der Entwicklung von Remondis. 1934 in Lünen gegründet, ist das Unternehmen heute mit 900 Standorten und mehr als 30.000 Beschäftigten einer der weltweit größten Dienstleister in der Wasser- und Kreislaufwirtschaft. Remondis ist Teil des Rethmann-Konzerns, zu dem außerdem die Rhenus-Gruppe gehört (einer der führenden europäischen Logistiker), die Saria-Gruppe (Verwertung tierischer und pflanzlicher Restprodukte) und Anteile der Transdev-Gruppe, nach eigenen Angaben der weltweit führende private Betreiber von öffentlichen Verkehrsmitteln. Als Remondis das Unternehmen DSD, also den Grünen Punkt, übernehmen wollte, untersagte das Bundeskartellamt 2019 diese Fusion.
Wenig zahlen im Main-Tauber-Kreis
Bei Verdi hat Remondis keinen guten Ruf. "Wenn man sich das Tarifgebahren anschaut, ist dieser Riesenkonzern wie ein Eisberg. Die Spitze ist tarifgebunden, darunter ist viel Wildwuchs", befindet Katrin Büttner-Hoppe, bei Verdi auf Bundesebene zuständig für die Ver- und Entsorgung. Aufgeteilt in viele KGs und Co. KGs, arbeiteten manche Beschäftigte nach Tarif, andere nicht. In Baden-Württemberg agiere die Remondis Süd/Südwest, die sich an Tarifvertrag und Mitbestimmung halte. Vielleicht spielt dabei eine Rolle, dass in öffentlichen Ausschreibungen im Südwesten Tarif eine Teilnahmebedingung ist. Büttner-Hoppe beobachtet, dass die großen Entsorger wie Remondis um sich herum kleinere Firmen aufkaufen. "So werden letztlich Auftragsgebiete aufgeteilt." Ähnlich wie bei Zeitungsverlagen, die sich nicht mehr in die Quere kommen, weil sie sich die Republik und damit auch das Anzeigengeschäft aufgeteilt haben.
Wer auch immer die Entsorgung bekommt – die Kalkulation ist maßgeblich für die Müllgebühren. Denn die Kosten für den Müll müssen zu 100 Prozent über die Gebühren gedeckt werden. In Baden-Württemberg zahlen die Haushalte höchst unterschiedliche Müllgebühren, wie die jährliche Abfallbilanz des Landesumweltministeriums zeigt. Am günstigsten ist der Main-Tauber-Kreis, wo 2020 jährlich 54 Euro für einen Vier-Personen-Haushalt (ohne Biotonne) anfallen. Im Kreis Rottweil können eben diese Gebühren bis zu 294 Euro pro Jahr betragen. Wie kann das sein?
"Wenn schon Kapitalismus, dann wenigstens fair"
"Da spielen viele Faktoren hinein", erklärt der Göppinger Fachmann Dirk Kurzschenkel. "Wann war die Ausschreibung? Zu einem Zeitpunkt hoher oder niedriger Preise?" Zudem können Entscheidungen aus der Vergangenheit eine Rolle spielen. So waren bis 2005 Mülldeponien erlaubt. "Wer da noch für die Nachbehandlung zahlen muss, hat hohe Kosten." Außerdem bieten Kommunen unterschiedliche Leistungen an: In manchen Orten holen die Müllleute die Tonnen aus dem Hinterhof, in manchen müssen die Anwohner die Tonnen selbst rausstellen. Manche holen regelmäßig Grünschnitt ab, andere nicht. In Städten wird weniger Müll getrennt, also gibt es dort mehr Restmüll und der ist teuer. "Je weniger Fremdstoffe im Restmüll, desto günstiger ist die Entsorgung beziehungsweise Verwertung", fasst Kurzschenkel zusammen.
Der renitente Grünen-Kreisrat Axel Mayer ist jetzt gespannt, was bei den Kartellbehörden rauskommt. Ihn freut, dass er mit seiner Fraktion die Behörden dazu gebracht hat, sich mit dem Unternehmen Remondis zu beschäftigen. Denn: "Wenn wir schon Kapitalismus haben, ist es die Aufgabe auch eines kleinen Kreisrats zu versuchen, dass der wenigstens fair funktioniert." Der Kreistag hat übrigens mittlerweile die Verwaltung beauftragt, zu prüfen, was es kosten würde, das Müllgeschäft wieder komplett in die kommunale Hand zu nehmen.
1 Kommentar verfügbar
D. Hartmann
am 20.01.2021Thema Altpapier:
Im Landkreis Lörrach kassieren seit diesem Jahr (2021) die beiden Entsorgungsfirmen, die Altpapiertonnen anbieten, eine Gebühr. Bei einem der beiden beträgt diese 38,48 € pro Tonne / Kalenderjahr (inkl.…