Die Täter sitzen nicht bei den Zulieferern, Subzulieferern und Sub-Subs in Osteuropa oder Asien, sondern in der Industrieregion Stuttgart, einer der reichsten und erfolgreichsten Europas.
"Dumpinglöhne made in Germany und mitten in den Produktionshallen von Daimler", schimpft Georg Rapp, der wie seine Kollegin Christa Hourani seit den 80er-Jahren für Daimler arbeitet, zunächst aber einen Arbeitsvertrag mit der Firma IVM hatte. IVM wiederum verkaufte Ingenieurleistungen an Daimler, indem sie Rapp, Hourani und über hundert ihrer Kolleginnen und Kollegen in verschiedenen Bereich von Daimler einsetzte – voll integriert in den Arbeitsablauf des Automobilkonzerns. Ein gutes Geschäft, denn die IVM-Gehälter lagen unter denen bei Daimler.
8,19 Euro verdiente jüngst der Fernsehreporter Jürgen Rose, als er à la Günter Wallraff mit versteckter Kamera bei Daimler in Untertürkheim gearbeitet hat. Auch er kam über einen Werkvertrag. Angestellt war Rose bei einem Arbeitskrafthändler namens DIWA; DIWA hat ihn der Logistikfirma Preymesser verliehen, die Rose wiederum bei Daimler einsetzte, wo er zusammen mit Daimler-Beschäftigten am Band Zylinderköpfe abladen und für den Transport nach China verpacken musste.
Rose verdiente netto nicht einmal 1.000 Euro im Monat. Viel zu wenig für einen Vater von vier Kindern. Die Agentur für Arbeit hätte seinen Lohn auf den Hartz IV-Mindestsatz aufstocken müssen – um 1.550 Euro. Und tatsächlich hat Rose bei seinem Einsatz in Untertürkheim so genannte Aufstocker gefunden.
So subventioniert der Steuerzahler einen milliardenschweren Automobilkonzern, der so viel Vermögen besitzt, dass er rund um den Globus neue Beteiligungen und Fabriken kaufen oder bauen lassen kann. Ein Unternehmen, das sich einen Vorstandsvorsitzenden leistet, der mit acht Millionen Euro (2012) zu den Spitzenverdienern unter deutschen Managern zählt.
Und die Subventionen fließen nicht nur über die Aufstockung der Hungerlöhne, sondern auch indirekt. Wenn Daimler nämlich nur die Hälfte oder ein Drittel des üblichen Lohns bezahlt, erhalten auch die Sozialversicherungen nur die Hälfte oder ein Drittel der zu entrichtenden Beiträge. Das Gleiche gilt für die Einkommenssteuer.
Daimler will keine Zahlen nennen
Christa Hourani und Georg Rapp, die beide mittlerweile dem Betriebsrat angehören, schlagen sich seit Jahren mit diesem Thema herum. "Ich kenne Sekretärinnen, die die Hälfte von dem verdienen, was eine Daimler-Kollegin für die gleiche Arbeit bekommt", sagt Hourani. Sie arbeiten als "Leasingkräfte", beispielsweises für den US-Konzern Robert Half, der von sich behauptet, "das weltweit erste und größte spezialisierte Personaldienstleitungsunternehmen für Fach- und Führungskräfte" zu sein.
Auch im Bereich Motorentwicklung habe das Werkvertragsunwesen massiv zugenommen, ergänzt Georg Rapp. "Fast ein Drittel der Personalkosten wurden für Werkverträge ausgegeben", bestätigt Wolfgang Nieke in der neuesten Ausgabe der IG-Metall-Betriebszeitung "Schweibenwischer".
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Kleinert
am 28.06.2013