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Proteste in Serbien

Der Druck lässt nicht nach

Proteste in Serbien: Der Druck lässt nicht nach
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Trotz zunehmender Repression hält der Protest in Serbien gegen das Regime an. Nach 13 Jahren autoritärer Führung und 13 Monaten Protesten für Demokratie steht das Land am Scheideweg.

"Ich hatte die Hoffnung verloren, dass die Europäische Union etwas unternehmen oder sogar die Proteste in Serbien unterstützen würde", erinnert sich Hana an die Fahrradtour der serbischen Protestbewegung nach Straßburg. Die Serbin studiert in Ungarn und unterstützt, wo es ihr möglich ist, die Bewegung. Im Oktober – davor gab es noch einen Fußmarsch nach Brüssel – kam dann aber für Hana der Erfolg: "Die Europäische Union hat ihre Haltung gegenüber der Regierung in Serbien geändert und eine Resolution vorgelegt, in der sie zum ersten Mal öffentlich auf die Missstände und die Menschenrechtsverletzungen im Land hingewiesen hat."

Doch mittlerweile hat sich auch die Lage in Serbien geändert. Seit dem 1. November, dem Jahrestag des tödlichen Dacheinsturzes in Novi Sad, der die Proteste ausgelöst hat, beobachtet Hana einen Anstieg der Repressionen. Das Regime setzt inzwischen auf eine hybride Aufstandsbekämpfung. Einerseits werden immer wieder Demonstrationen von der Polizei brutal auseinandergetrieben, anderseits greifen bewaffnete Schlägertrupps Aktivist:innen auf offener Straße an. Zudem stehen immer mehr Aktive vor Gericht wegen absurder Vorwürfe, die mit fingierten Beweismitteln untermauert werden.

Ausgabe 733 vom 16.04.2025

16 Minuten Stille für 16 Tote

Von Aljoscha Hartmann

Seit Monaten demonstrieren in Serbien Zigtausende gegen Korruption und Machtmissbrauch. Die Demo-Bilder gehen um die Welt, doch die EU interessiert sich wenig dafür. Darum haben sich serbische Studierende per Rad auf den Weg nach Straßburg gemacht – mit Stopp in Stuttgart.

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"Niemand vertraut mehr der Polizei, es gibt kein Vertrauen in das Justizsystem und das Justizministerium. So ziemlich alle Fernsehsender und Radiosender in Serbien machen, was sie wollen. Sie können lügen, Propaganda verbreiten, sogar Menschen ins Visier nehmen, ohne dass dies irgendwelche Konsequenzen für sie hätte", so der Belgrader Medienaktivist Vladimir Radinović. 13 Monate nach dem Beginn ihres Kampfes gegen Korruption und für Demokratie wirken die Studierenden auf ihn erschöpft. Auch wenn er die Bewegung unterstützt – an einen Erfolg durch Neuwahlen glaubt er nicht. Das Netzwerk aus Korruption und Bestechung ist seiner Einschätzung nach zu stark. Bisher gibt es von Präsident Aleksandar Vučić auch keine Anzeichen, Neuwahlen anzusetzen. Die Forderung der EU, die Reformen zur Bedingung für den weiteren Beitrittsprozess gemacht hat, verhallt. Auch weil die EU mit ihrer wirtschaftlichen Unterstützung unter anderem für den Bau einer Lithiummine im westserbischen Jadartal gleichzeitig Vučić den Rücken stärkt.

In dieser verfahrenen Situation formiert sich seit Wochen die Protestbewegung neu. Sie hat jenseits der Studierenden Menschen im ganzen Land erreicht, welche sich in Nachbarschaftsversammlungen zusammengetan haben und immer neue Proteste anstoßen. Zum jetzigen Jahrestag hat der Hungerstreik von Dijana Hrka, der Mutter eines der Opfer des Unglücks in Novi Sad, eine neue Welle der Solidarität ausgelöst. Mittlerweile würden deutlich mehr als die Hälfte der Menschen in Serbien für eine Wahlliste der Bewegung stimmen, denn viele erleben in der Bewegung zum ersten Mal echte Demokratie. Ein Jahr Protest, so Hana, kann also nur der Anfang eines langwierigen Kampfes sein. Die von den Protesten genutzte Parole "Pumpaj!", die sinngemäß aufruft, den politischen Druck aufrechtzuhalten, sei wichtiger denn je. Auch für die Zeit nach etwaigen Neuwahlen, wie Vladimir Radinović feststellt: "Es wird eine Menge Arbeit erfordern, all das rückgängig zu machen, was diese Regierung getan hat."

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