Die Stuttgarter Ereignisse werden in den Medien mit erstaunlicher Dramatik begleitet. Dies geschieht, seitdem der Stuttgarter Ordnungsbürgermeister Schairer (CDU) Ende November letzten Jahres kurz vor der 200. Montagsdemonstration den Versuch unternahm, die Demonstrationen vom Herd des Konflikts, dem Stuttgarter Hauptbahnhof, zu entfernen. Die "Süddeutsche Zeitung" mutmaßte am zweiten Dezember: "Der vielleicht bekannteste Bürgerprotest der Republik steht vor einer symbolträchtigen Zäsur." Nachdem sich am 14. Januar über tausend Demonstranten einer ordnungsamtlichen Vorgabe widersetzten, eigenmächtig eine Demoroute wählten und die Ordnung verletzten, konstatierte die Lokalpresse, nun sei der "Frieden in der Stadt" gefährdet.
Acht Tage später traten die Grünen mit den drei anderen Gruppen aus dem Aktionsbündnis aus. Die Lokalpresse berichtete, jetzt auf Seite eins, von "autonom agierenden Aktivisten", und selbst die DKP, die in den Protesten wahrlich keine Rolle spielt, wurde bemüht, um Stereotype zu generieren. Die Grünen seien gar "in die Propagandamaschine radikaler Aktivsten geraten", aus der sie sich gerade noch rechtzeitig befreit hätten, so die "Stuttgarter Nachrichten". Die Botschaft ist deutlich: Die Protestbewegung gegen Stuttgart 21 habe sich gespalten in Realisten hier und Unbelehrbare dort. Während die Grünen, knapp davongekommen, die Plätze des öffentlichen Protests verlassen, blieben nur noch Extremisten übrig. Der Austritt war sogar eine dpa-Meldung wert, und die Zeitung "Die Welt" fragte umgehend: "Verläuft der Widerstand gegen das Bahnprojekt nun im Sande?"
Die einen wollen weiter Widerstand leisten, die anderen fachlich arbeiten
Nach eigenem Bekunden tendieren die vormals im Aktionsbündnis vereinten Gruppen in zwei Richtungen. Die einen wollen "Facharbeit" leisten, sich etwa in Genehmigungsverfahren einmischen oder auf den Artenschutz achten. Die anderen wollen weiterhin "aktiven Widerstand" leisten und ihren Protest in den öffentlichen Raum tragen. Während Letztere davon überzeugt sind, dass Stuttgart 21 an sich selbst zusammenbrechen werde, erheben Erstere keinen "Anspruch mehr darauf, das Projekt zu stoppen", so Gerhard Pfeifer vom BUND gegenüber Kontext.
Selbst nach dem Austritt der Grünen-nahen Vereinigungen besteht das Aktionsbündnis gegen Stuttgart 21 aus zehn Gruppen. Vertreten sind die aktiven Parkschützer, der Parkschützerrat, die "Gewerkschafter gegen Stuttgart 21", die Gruppe "SPDler gegen Stuttgart 21", die Schutzgemeinschaft Filder, die "Architekten gegen Stuttgart 21", das Architekturforum von Roland Ostertag, die Gruppe "Bürgerbahn statt Börsenbahn", die Linkspartei und das Wählerbündnis SÖS. Die beiden Letzteren sind wiederum im Gemeinderat vertreten. Das ist immer noch ein breites Bündnis. Auch die Zahl der Montagsdemonstranten war nach dem Austritt nicht geringer als vorher. Warum also plötzlich die große mediale Aufmerksamkeit?
13 Kommentare verfügbar
@oo,oo m Radwege
am 09.02.2014Woran liegt´s dann bloß in Stuttgart?