Flassbeck: Natürlich. Es wird immer spekuliert. Nur in diesen Fällen müsste man eben eine souveräne Notenbank haben. Nicht um das Land dauerhaft zu finanzieren, sondern nur, um die Spekulation mit Staatsanleihen zu beenden.
Steinhardt: Wenn ich ein Vermögen verwalten muss und sehe, die Chance ist gestiegen, dass die aus dem Euro austreten, werde ich auf jeden Fall versuchen, das Risiko zu vermindern. Da muss ich meine Ex-Kollegen verteidigen. Das Problem ist nur: Wenn es in einer Währungsunion unterschiedliche Zinsniveaus gibt, ist dies eine Diskriminierung von Unternehmen, die in unterschiedlichen Jurisdiktionen sitzen. Eine Zentralbank, die es nicht fertigkriegt, das Zinsniveau gleich zu halten, ist unfähig.
Flassbeck: Die Verträge sagen eindeutig: die EZB darf keine Staatsfinanzierung betreiben.
Steinhardt: Man hat die Verträge Verträge sein lassen, als die Zinsen 2008/2009 extrem auseinandergegangen sind. Draghi hat das begründet mit der Finanzstabilität, aber die ist jetzt auch gefährdet.
Warum steigt Italien nicht aus dem Euro aus?
Flassbeck: Ein Ausstieg macht nur Sinn, wenn es eine Abwertung gibt. Die trifft die italienischen Sparer, die haben dann statt Euro plötzlich nur Lire auf dem Konto, und die sind 30 Prozent weniger wert. Das muss man seiner Bevölkerung erst mal verkaufen. Es gibt schon noch eine italienische Zentralbank, aber die Regierung ist nicht mehr weisungsberechtigt. Denn die italienische Zentralbank ist eine Filiale der EZB. Man müsste erst ein Gesetz verabschieden, um die Zentralbank wieder zu nationalisieren.
Steinhardt: Der italienische Regierungschef Giuseppe Conte sagt nun, existenzielle Ausgaben könnte man schon etwas zurückfahren, also etwa das Pensionsalter doch nicht senken. Wie das ausgeht, weiß man nicht, vielleicht mit einem faulen Kompromiss.
Aber egal, wer jetzt nachgibt oder sich durchsetzt ...
Flassbeck: ... die Situation wird sich nicht verbessern. Italien braucht aber eine Besserung, auch Frankreich: Wir werden bei der Europawahl vermutlich ein Desaster von Herrn Macron erleben.
Dort brennen die Barrikaden und die Gelbwesten protestieren gegen die Erhöhung der Lebenshaltungskosten. Der "Tagesschau" zufolge stehen drei Viertel der französischen Bevölkerung hinter ihnen.
Flassbeck: Das ist ja auch berechtigt. Macron erhöht einfach Steuern und fragt nicht, wer davon betroffen ist. Für die Reichen wurden die Steuern gesenkt, das ist eine brutale Umverteilungspolitik von unten nach oben. Dass die Leute sich das irgendwann nicht mehr gefallen lassen, ist klar. Wenn Macron bei der Europawahl zehn, selbst wenn er 15 Prozent kriegt, ist er angeschlagen, vielleicht gar nicht mehr richtig handlungsfähig. Es brodelt ja überall und wird nicht besser. Nur die Deutschen sitzen in ihrem Glashaus und beten, dass es ihnen weiter gut geht, und dass sie nichts mitkriegen von dem Elend da draußen.
Bei uns herrscht die Meinung, Deutschland hätte alles richtig gemacht.
Flassbeck: Das ist das eigentliche Problem. Ich war gestern in der Berliner Schaubühne und habe das auch gesagt: Es liegt an Deutschland. Die Leute sind völlig aus dem Häuschen. Was sagt der Mann?
Wie hängt die deutsche Niedriglohnpolitik mit der Situation in Italien zusammen?
4 Kommentare verfügbar
Karola Schramm
am 01.12.2018