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Kapital über der Stadt

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Im internationalen Wettbewerb balzen Städte um die Gunst finanzstarker Investoren. Um diese anzulocken, braucht es kostspielige Großprojekte. Das behindert sinnvolle Stadtentwicklung.

Die Eingangssequenz des 1963 erschienenen Films Hands over the city (Le mani sulla città) von Francesco Rossi zeigt einen Unternehmer, der mit theatralischer Geste auf die Silhouette einer am Rand einer hügeligen Landschaft gebauten Hochhaussiedlung zeigt, um die ihn begleitenden Politiker davon zu überzeugen, dass auch auf diesem Stück Land, auf dem sie gerade stehen, das Gold von heute liegt. Denn erst der Bau einer neuen Stadt verspricht "All profit and no risk", wie der Unternehmer konstatiert.

Wie dieser Film zeigt, ist eine kapitalorientierte Raumproduktion eigentlich nichts Neues, sondern Teil der kapitalistischen Logik. Diese Logik und ihre Strategien der Akkumulation haben durch eine seit den 1980er Jahren einsetzende Welle der Globalisierung, Neoliberalisierung und Finanzialisierung eine Beschleunigung erfahren, die zu einer weltweiten Konkurrenz um Kapital, Boden und Lohnarbeit geführt hat.

Auf gesellschaftlich-sozialen Ebenen hat dies zu einer inzwischen deutlich erkennbaren ungleichen Entwicklung in vielen Ländern und zu einer Vermögens- und Einkommensungleichheit geführt, die den größten Teil der Weltbevölkerung auf vielfältige Weise ausgrenzen. Im Zuge dieser Entwicklung sehen sich nicht nur Nationalstaaten, sondern bekanntermaßen auch Städte mit einer verschärften Konkurrenz innerhalb eines transnationalen Städtesystems konfrontiert. In der Folge kommt es zu einer Konzentration der Raum- und Stadtpolitik auf Großprojekte aller Arten, um Kapitalinvestitionen anzuziehen und um Alleinstellungsmerkmale zu erzeugen.

Undurchschaubare Finanzprodukte

Befördert wird diese Konkurrenz durch eine zeitweise vorhandene Kapitalüberakkumulation und eine intensivierte Einspeisung insbesondere von fiktivem (zinsbasiertem) Kapital in den zweiten Kapitalkreislauf, in den Grund-, Boden- und Immobilienmarkt. So ist die Nachfrage nach Immobilien in den Bereichen Handel, Büro, Industrie und Wohnen in den letzten Jahren in nachgefragten Städten erheblich gestiegen, wobei sich inzwischen ein globalisierter internationaler Immobilienmarkt etabliert hat, der die ungleiche räumliche Entwicklung, sowohl auf den Mikro- als auch auf den Makroebenen, weiter mit befördert.

Die Höhe der gesamten finanziellen Transaktionen, die in diesem Markt getätigt werden, ist kaum zu bestimmen. Ganz abgesehen von stadträumlichen und rechtlichen Unterschieden ergeben sich in Bezug auf die verschiedenen Segmente des Immobilienmarktes in den einzelnen Städten zudem unterschiedliche Renten und schwankende Zyklen. Deshalb an dieser Stelle nur ein Verweis: bereits Ende 2006 betrug der globale Bestand an Immobilienaktien 26 Billionen US Dollar, wobei allein 10 Billionen auf die USA entfielen, von denen nahezu die Hälfte bereits investiert waren. 

Dabei investieren nicht nur private Anleger sondern auch Staaten und Kommunen, wenngleich in wesentlich kleinerem Umfang, direkt oder indirekt in den Immobilienmarkt. Die Instrumente heutiger globalisierter Finanzmärkte sind vor allem von der Kreativität in der Erfindung immer neuer, undurchschaubarer Finanzprodukte, von computerbasiertem Hochfrequenzhandel und außerbörslichen Handelsplattformen, den sogenannten Dark Pools, die erst den bereits abgeschlossenen Handel anzeigen, gekennzeichnet.

Bevorzugt wird auch in so genannte Real-Estate-Investment Trusts (REITs) investiert, die seit den 1960er Jahren in den USA und mit den 2000er Jahren in vielen anderen Ländern, wie zum Beispiel in Deutschland, Finnland oder Indien, zugelassen wurden. REITs sind Gesellschaften, die je nach Land und Gesetzgebung in etwas unterschiedlichen Rechtsformen Kapital einsammeln, um dieses in den Kauf von Immobilien anzulegen, diese zu verpachten, zu vermieten oder wieder zu veräußern. Die Besonderheit besteht hier in einem vom Gesetzgeber regulierten Sondersteuerrecht, das Steuererleichterungen und hohe Gewinnausschüttungen vorsieht.

Geldwäsche leicht gemacht

Grundsätzlich und sowohl für die private, als auch die öffentliche Seite spielt die Kreditaufnahme und daraus resultierende Schulden eine zentrale Rolle im Immobiliengeschäft, denn die Kreditaufnahme ist, global gesehen, nach wie vor die Hauptquelle für Investitionen in Immobilienbesitz. Hinzu kommt, dass sich der Bau- und Immobiliensektor als besonders geeignet für die Geldwäsche erweist. Nach Berechnungen des Office on Drugs and Crime (UNODC) der Vereinten Nationen beläuft sich das gesamte jährliche Volumen an Geld, das gewaschen wird, auf 800 Milliarden bis 2 Billionen US Dollar.

In Deutschland, das wegen seiner laxen Handhabung von Geldwäsche in der Kritik steht, werden zum Beispiel laut Schätzungen jährlich etwa 50 Milliarden Euro gewaschen. Wie hoch der Anteil an diesen Summen ausfällt, der in den Bau- und Immobiliensektor fließt, ist allerdings schwer zu berechnen. Dennoch sind sich Expert_innen einig, dass dieser Sektor besonders anfällig für Geldwäsche ist, auch wenn hier in vielen Ländern mehr oder weniger ausgeprägte rechtliche Regelungen bestehen.

Die am häufigsten gebrauchten Methoden der Geldwäsche im Bau- und Immobiliensektor sind Preismanipulationen, nicht erklärte Geldquellen und Finanztransaktionen sowie der Einsatz von falschen Identitäten, von Strohmännern und Strohfirmen, darunter auch Banken. Der Geldtransfer erfolgt inzwischen transnational, auch über legale Firmen und professionelle Akteur_innen.

Das Schwarzgeld, das aus Drogen-, Menschen- und insbesondere Frauenhandel, Prostitution und anderen kriminellen Aktivitäten erzielt wird, wird bevorzugt in den Bau oder Kauf von Villen, Hotel- oder Luxuswohnanlagen, aber auch in andere Bau- und Infrastrukturprojekte investiert. Diese Geldwäsche trägt nicht unerheblich zu Immobilienblasen (oder umgekehrt zu einem verstärkten Kauf in Zeiten von billigen Immobilienpreisen) und zu steigenden Immobilienpreisen in vielen Metropolen bei, wie die Beispiele New York City, London, Vancouver, Istanbul, Amsterdam, Berlin, Lagos oder Mumbai zeigen. Hinzu kommen Investitionen dieser Art in Küstengebiete Spaniens, Italiens oder der Türkei, die massive bauliche und ökologische Eingriffe ebendieser Küstenlandschaften nach sich ziehen. 

 

Dr. Yvonne P. Doderer ist Architektin und Stadtforscherin; die Professorin für Gender & Cultural Studies an der Hochschule Düsseldorf betreibt in Stuttgart das "Büro für transdisziplinäre Forschung und Kulturproduktion". Der obige Text ist ein Auszug aus ihrem Buch "Glänzende Städte. Geschlechter- und andere Verhältnisse in Stadtentwürfen für das 21. Jahrhundert", Copyright by Verlag Silke Schreiber, München. 334 Seiten, 26,00 Euro.


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