Pedro ist vor 35 Jahren in Hamburg geboren worden und lebt inzwischen in Berlin. Bei vier Bundestagswahlen durfte er bisher nicht wählen. Seine Eltern stammen aus Portugal. Vor vielen Jahren waren sie als Gastarbeiter nach Deutschland gekommen, haben hier gearbeitet, Steuern gezahlt, die Sozialsysteme mitfinanziert, ihre Kinder zur Welt gebracht und großgezogen. Damals herrschte in Deutschland in Sachen Staatsbürgerschaft noch ausschließlich Blutrecht. In Pedros Fall bedeutete dies: Portugiesische Eltern gleich portugiesische Kinder.
In der Kontext-Ausgabe 128, der Wahl-Spezial-Ausgabe, machte Autor Thomas Moser das Angebot: <link http: www.kontextwochenzeitung.de _blank>"Stimme zu verschenken".
Die Reaktionen darauf waren unterschiedlich. Rüdiger und Bianca, denen Moser seine Wahlbenachrichtigung für ihr Baby gegeben hätte, lehnten dankend mit der Begründung ab, sie hätten ja immerhin zwei Stimmen. Es solle doch besser jemand in den Genuss kommen, der nicht wählen darf, etwa, weil er aus einer zugewanderten Familie kommt. Justyna, eine Polin aus der Provinz, die in der deutschen Hauptstadt seit einigen Jahren Bier und Schweinshaxen serviert, verschwendete keine Minute an den Gedanken. Die Bundestagswahl interessierte sie nicht. Einige Passdeutsche wiederum hätten das Angebot gern angenommen, so wichtig ist ihnen die jüngste Bundestagswahl gewesen. Pedro griff sofort zu.
Pedros Eltern leben wieder in ihrem Heimatland, verbringen dort ihren Ruhestand. Auch sein Bruder lebt dort, Verwandte, Freunde. In den Ferien fährt der Wahlberliner immer in den Süden. Er ist Portugiese, sagt Pedro von sich. Aber er sagt es nur, wenn man ihn fragt, er selbst stellt sich diese Frage nicht. Er lebt und arbeitet in Deutschland als Dolmetscher, beherrscht Deutsch und Portugiesisch. Seine Heimat ist Portugal und Hamburg. Eigentlich ist Pedro Europäer, einer nach dem Fall des Eisernen Vorhangs und der deutschen Wiedervereinigung. Ein Jahr hat er in Prag gelebt. Einen deutschen Pass zu beantragen kam ihm nie in den Sinn. Warum auch, er braucht ihn nicht. Er kann sich in Europa frei bewegen. Er kennt sich aus in Deutschland und hat eine Meinung.
Was Pedro mit dem Stimmzettel gemacht hat, wissen wir nicht. Ebenso wenig, welche Partei er angekreuzt hat, ob es vielleicht die Partei der Nichtwähler war, ja, ob er vielleicht nun von seinem Privileg Gebrauch gemacht hat, gar nicht zu wählen, oder ob er den Zettel am Ende sogar weiterverschenkt hat.
PS: 24 Prozent der Stuttgarter, die 18 Jahre oder älter sind, durften bei der jetzigen Bundestagswahl nicht wählen – weil sie wie Pedro keinen deutschen Pass haben.
1 Kommentar verfügbar
Heiner Müller
am 25.09.2013