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Mit dem Zweiten wirbt man besser

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Was taugen Modelabels, Baumärkte oder Discounter? Antworten darauf bekommt die TV-Nation immer häufiger direkt nach der "Tagesschau". Bei den Öffentlich-Rechtlichen boomen Marken- und Warentests zur besten Sendezeit. Einen Quotenerfolg fuhr jüngst das ZDF mit einem Schnellrestaurant-Test ein: Über drei Millionen Zuschauer verfolgten das "große Duell" zwischen den umsatzstärksten Hamburgerketten. Der Buletten-Wettstreit hinterließ einen faden Beigeschmack: Neben Verbraucherinfos gab es unverhohlen Werbung – und einen anderen Sieger als bei einem vergleichbaren Test des Senders kurz zuvor.

Da muss einem das Wasser im Munde zusammenlaufen. Wenn selbst Sternekoch Nelson Müller im ZDF treuherzig versichert, dass er hin und wieder einen Hamburger vom Schnellrestaurant nebenan verzehrt. Die Filmdramaturgie tat das ihrige, um die industriellen Hackfleischbrötchen ins beste Licht zu rücken: Die Kamera wechselte zwischen saftigen Fleischfladen und hübschen Testerinnen, schnelle Schnitte führten von blitzenden Grillküchen auf grüne Kuhweiden, alles untermalt mit flotter Chart-Mucke, die nur abebbte, wenn Experte Müller oder eine verführerische Stimme aus dem Off die Ergebnisse in den sieben Testdisziplinen verkündete.

Und damit auch der dümmste Zuschauer kapierte, um wessen Buletten es sich zur besten Sendezeit im Zweiten drehte, wurden die größten in Deutschland tätigen Fast-Food-Ketten der Fernsehnation heiß serviert. Während des 45-minütigen Burger-Duells tauchten die beiden Firmenlogos der Grillkonzerne Dutzende Male auf. Etwa auf braunen Einkaufstüten, die Test-Präsenter Müller demonstrativ in die Kamera hielt, bei Innen- und Außenansichten der Fast-Food-Filialen natürlich und darüber hinaus auch auf den Ergebnisgrafiken der Sendung. Fast genauso oft fielen die Namen der beiden Burger-Platzhirsche, oft garniert mit deren Verkaufsschlager. "Wenn ich zu McDonald's gehe, dann bestelle ich nur Royal TS oder Big Mac", flötete gleich zu Beginn der Sendung eine der weiblichen Testpersonen in Müllers studiogerechter Wohnküche. "Das war schon die erste Fürsprache für McDonald's", kommentierte der Sternekoch das Bekenntnis der brünetten Schönheit.

Neben dramaturgischer "Atmo" präsentierte das große Burger-Duell auch ernst zu nehmende Tests. Die Redaktion verglich bundesweit die Burger-Preise, schickte Rohware zur Laboranalyse, erklärte Ernährungswerte und recherchierte Arbeitsbedingungen in den Schnellrestaurants. Zwischendurch gab es auch zweifelhafte Experimente. Mehr zufällig dürfte das Ergebnis beim Service-Test zustande gekommen sein. Die Redaktion ließ eine komplette Football-Mannschaft unangekündigt ein Restaurant der Fast-Food-Konkurrenten stürmen. Anschließend bewerteten die Spieler, wie freundlich das Personal den Überfall parierte, wobei ergebnisverzerrende Einflüsse wie etwa Krankenstand oder sonstiger Kundenandrang unberücksichtigt blieben. Obwohl alle hungrigen Sportler nahezu gleich schnell (Fast Food!) mit Speis und Trank versorgt wurden, kürte die Redaktion McDonald's in dieser Disziplin zum Sieger.

Wann beginnt die Schleichwerbung?

Am Duell-Ende waren die Zuschauer abgefüllt mit Hamburger, Pommes und Cola. Sei's drum. Aber mussten auch Firmenlogos und Restaurantnamen bis zum Erbrechen in der Ratgebersendung wiedergekäut werden? Kritischen Zuschauern jedenfalls dürfte eine derart aufdringliche Marken- und Produktpräsentation sauer aufgestoßen haben. Die Frage stellt sich: Handelt es sich bei einem derartigen Vergleichsduell noch um Verbraucherinformation? Oder schon um eine gut getarnte Dauerwerbesendung, die durch massenweise Produkt- und Markenplatzierung verkaufsfördernd sein will?

"Werbung und Verbraucherberatung versucht man mit derartigen Formaten zusammenzubringen", sagt Joan Kristin Bleicher. Für die Professorin am Institut für Medien und Kommunikation an der Universität Hamburg schlägt das Pendel in die eine oder andere Richtung aus, je nachdem, wie sich ein Beitrag mit den Testprotagonisten und deren Produkten auseinandersetzt. "Solche Testduelle können durchaus kritische Funktion haben. Anderseits ist Verbrauchermanipulation das Standardmotiv von Werbung und Produktplatzierung", betont Bleicher. Die Erfahrung zeigt, dass gerade Ratgeber- und Testformate anfällig dafür sind. So deckte der "Spiegel" zur Jahrtausendwende auf, dass das ZDF bei seiner Ratgebersendung "Gesundheit" eng mit Pharmaherstellern kooperierte und auch wissenschaftlich umstrittene Heilmethoden und Produkte empfahl. Firmen, die etwa Asthmamittel herstellen, wurden als "Kooperationspartner" zu dem Thema eingeplant. Hersteller von Hormonpräparaten unterstützten eine Sendung zu den Wechseljahren finanziell.

Christian Deick vom ZDF beteuert auf Kontext-Nachfrage, dass alle Testduelle – neben den Schnellrestaurants traten auch schon führende Modelabels, Discounter und Automarken bei den Mainzern an – einwandfrei abliefen. "Wir gehen sehr sensibel und mit einer grundkritischen Haltung an die Markenduelle heran", so der Redaktionsleiter von ZDF-Zeit. Es komme immer darauf an, was die Testsendungen abbildeten. "Wir zeigen auch kritische Bereiche wie die Arbeitsbedingungen in den Unternehmen", argumentiert Deick. Auch weist er die Kritik zurück, dass sich ausschließlich Branchenriesen vor Millionenpublikum duellieren dürfen, während kleineren Mitbewerbern publicityträchtige Auftritte verwehrt werden. "Ich halte es für legitim, die umsatzstärksten Unternehmen der jeweiligen Branche zu präsentieren." Eine solche Darstellungsform sei im internationalen Dokumentargenre völlig üblich. Kein Problem hat Deick auch damit, wenn Firmennamen und Unternehmenslogos während eines Beitrags dutzendfach genannt und gezeigt werden. "Wenn wir über ein Unternehmen berichten, dann muss ich auch dessen Namen nennen. Wie sollen wir das anders machen?"

Schwarz-Gelb legalisierte Produktplatzierungen

Anders als früher tun die Sender nichts Verbotenes, wenn sie Produkte oder Marken in Fernsehfilmen, Dokumentationen oder Shows in den Vordergrund rücken. Seit 2010 eröffnet eine EU-Richtlinie die Möglichkeit zur Produktplatzierung. "Deutschland hat diese Richtlinie in nationales Recht umgesetzt, ohne es tatsächlich zu müssen", erläutert Thorsten Giebel, Koordinator Programm und Werbung bei den Landesmedienanstalten. Offenbar wollte die damalige schwarz-gelbe Bundesregierung den Privatsendern eine neue Einnahmequelle verschaffen. Denn diese dürfen jedes Mal kassieren, wenn etwa Getränkeflaschen in Daily Soaps rumstehen oder Reiseveranstalter Traumurlaube in Spielshows ausloben. Den öffentlich-rechtlichen Sender sind dagegen laut Rundfunkstaatsvertrag nur unentgeltliche Produktplatzierungen gestattet, etwa durch Überlassung von Fahrzeugen bei "Tatort"-Produktionen. Diese Vorgabe gilt jedoch nur für Eigen- und nicht für Fremdproduktionen. Konkret erlauben die ZDF-eigenen Werberichtlinien die Erwähnung oder Darstellung von Produkten nur, "wenn und soweit sie aus journalistischen oder künstlerischen Gründen, insbesondere der realen Umwelt, zwingend erforderlich ist". Bei der Art der Darstellung sei "nach Möglichkeit die Förderung werblicher Interessen zu vermeiden", etwa indem Marktübersichten statt Einzeldarstellungen bevorzugt werden oder auch auf werbewirksame Kameraführung verzichtet werde.

Nichtsdestotrotz gehört es bei den Öffentlich-Rechtlichen zum Alltag, dass Geld und Sachleistungen von Unternehmen auch außerhalb der festen Werbezeiten fließen. So kommen Sportereignisse, Daily Soaps und Quizshows heute nicht mehr ohne Sponsoren aus, die für Werbespots und Logo-Platzierung bezahlen oder Gewinnspiel-Preise stellen. Ob bei Verbrauchermagazinen auch die Testkandidaten in die Kasse greifen, bleibt eine Gretchenfrage. "Ich habe den Eindruck, dass Sendeplätze gekauft werden", sagt Medienwissenschaftlerin Bleicher. Denkbar sei auch, dass Testauftritte mit Werbespotschaltungen kombiniert würden. ZDF-Redaktionsleiter Deick widerspricht auch hier vehement: "Es floss kein Geld von den Unternehmen."

Auftritte in Vergleichstests sind unbezahlbar

Tatsächlich gehören nahezu alle Testkandidaten zu den treuesten Werbekunden der Sender. Und die teuren TV-Spots sind für die Anstalten eine lukrative Einnahmequelle. Für eine Unterbrecher-Splitscreen um 19.49 Uhr, ausgestrahlt am Übergang vom Serienfilm zur anschließenden Werbeunterbrechung, verlangte das ZDF im Mai 1224 Euro – pro Sekunde. Noch kostspieliger ist die "Best Minute" der ARD, die derzeit vom ehemaligen Testkandidaten "Bauhaus" belegt wird: Für einen Spot direkt vor der "Tagesschau" sind bis zu 2663 Euro pro Sekunde fällig. Wollte ein Unternehmen eine 45-minütige Testsendung zur Primetime buchen, müsste es den Mainzelmännchen rein theoretisch rund 3,3 Millionen Euro hinblättern. Im Ersten würde der lukrative Sendeplatz bis zu 7,2 Millionen Euro kosten. Tatsächlich verursacht ein Auftritt in Ratgeberformaten dem getesteten Unternehmen kaum Kosten: in der Regel fallen sie nur für eigenes Personal an, das die Drehs in Filialen oder Betrieben koordiniert. Somit bringt die Verknüpfung von Werbung und Verbraucherinformation für alle Beteiligten eine Win-win-Situation.

Dabei sind Produkt- oder Warentests im Fernsehen nichts Neues, auch nicht bei den Öffentlich-Rechtlichen, erwähnt Medienexpertin Bleicher. Doch während Kaffeesorten oder Blumendünger früher fast ausschließlich in Magazinen und Ratgeberserien in zuschauerschwachen Zeiten unter Tage ausgestrahlt wurden, präsentieren die Sender Marken- und Produkttests zuletzt immer häufiger auch zur Primetime. "Es ist erkennbar, mit derartigen Ratgebersendungen Quote machen zu wollen", so die Medienwissenschaftlerin Bleicher. Die Chancen dafür sind nicht schlecht. "Die Themen treffen schließlich Verbraucherinteressen", sagt die Expertin. So hat neben dem Zweiten auch die ARD Anfang 2012 ein derartiges Format auf dem besten Sendeplatz etabliert. Anders als die Mainzelmännchen untersucht das Erste in seiner Reihe "Marken-Check" meist nur ein Unternehmen und dessen Produkte. Mitunter nahmen beide öffentlich-rechtlichen Sender schon die gleichen Discounter, Modelabels und Baumärkte unter die Lupe.

Vermarktungsprofis entzückt dies grundsätzlich. "Die Werbewirtschaft braucht die Massenmedien und Meinungsbildner", sagt Professor Franco Rota, der an der Stuttgarter Hochschule der Medien (HdM) Werbung und Marktkommunikation sowie Public Relations lehrt. Denn je häufiger Name und Logo eines Unternehmens in den Medien präsent sind, desto besser ist es aus Marketingsicht. "Jede Produktplatzierung im redaktionellen Teil einer TV-Sendung oder Zeitung ist ein Erfolg für Werber und PR-Leute", und Rota betont damit, wie wertvoll die Verbreitung auf diesem Weg ist. Erst recht feiern Agenturen, wenn Produkt oder Marke in Ratgebermagazinen positiv abschneiden oder aus Vergleichstests als Sieger hervorgehen. "So etwas verbessert natürlich gewaltig das Image", verdeutlicht Rota. Dabei ist der ideele Wert meist sehr hoch. "Ein redaktioneller Test besitzt eine höhere Glaubwürdigkeit als Zeitungsanzeigen oder TV-Spots", verdeutlicht Rota.

Doch Produkt- oder Markentests sind auch riskant. Ein negatives Testurteil kann dem betroffenen Unternehmen ernsthafte Imageprobleme bescheren. Der gescheiterte Elchtest der ersten Mercedes A-Klasse gilt als klassisches Beispiel dafür. Zuletzt deckte Günter Wallraff Ende April bei RTL gravierende Hygienemängel in einem Franchise-Betrieb von Burger King auf, was den Umsatz in den Schnellrestaurants des Unternehmens einbrechen ließ. Nur rund eine Woche nach Aufdeckung des Skandals sendete das ZDF sein großes Burger-Duell.

Binnen Monatsfrist wechselte der Bulettensieger

Das Timing hätte nicht besser sein können. Vor allem junge Zuschauer interessierten sich für das Duell und bescherten dem Zweiten einen starken Marktanteil in der Zielgruppe, berichtet das Branchenportal "horizont.net". "Nelson Müllers Burger-Duell verdoppelte die ZDF-Einschaltquote", lobte die Produktionsfirma sich selbst. Insgesamt 3,19 Millionen Zuschauer wollten wissen, welche Hamburgerkette am Ende die Nase vorne hatte. Es war wundersamerweise McDonald's – während im ZDF-Wirtschaftsmagazin "WISO plus" beim Duell "Burger King vs. McDonald's" knapp einen Monat zuvor noch Burger King als klarer Sieger den Ring verließ. Vermutlich hatte der Hygieneskandal die Mainzelmännchen zur radikalen Ergebniskosmetik gezwungen.

"Die Zuschauer sollten sich immer kritisch mit den Inhalten solcher Testsendungen auseinandersetzen", rät die Medienexpertin Joan Kristin Bleicher. Und sich an den Sender zu wenden, wenn Werbebotschaften den Informationswert überlagern. Zuschauerkritik gibt es an den Markentests bereits. So entfachte das Vergleichsduell "BMW gegen Mercedes", ausgestrahlt in der ZDF-Zeit-Reihe im vergangenen Oktober, einen Shit-Storm im Internet. Die "ZDF-Propagandazeit" betreibe "zwangsfinanzierte Autowerbung", so ein Vorwurf. Und auch die Redaktion des ARD-Markenchecks sah sich schon mit kritischen Fragen konfrontiert, etwa nachdem  der größte deutsche Discounter in kurzem Abstand wiederholt getestet wurde. "In zwei Jahren kann schließlich viel passieren", so die wenig überzeugende Begründung der Redaktion.


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18 Kommentare verfügbar

  • hiro
    am 16.06.2014
    Antworten
    Ich erinnere mich an einen Baumarkt-Vergleich im ZDF vor ein paar Wochen. Da traten OBI, Bauhaus und IIRC Hagebau in verschiedenen Disziplinen an.

    Unter anderem wurde Laminat bei unsachgemäßer Verwendung verglichen. Überraschend hat die Kette gewonnen, bei der die Tester mal eben doppelt soviel…
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Ausgabe 459 / Grüne Anfänge mit braunen Splittern / Udo Baumann / vor 1 Tag 14 Stunden
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