Egers fragten bei den Nachbarn nach, die keine Probleme hatten. Sie schrieben der Stadt, die meinte, dass die Kanalarbeiten nicht der Grund sein könnten. 2011 ließ Eger einen Geologen kommen. Sein Urteil: Die Risse kämen von den trockenen Sommern. Das Paar solle alle Bäume aus seinem Garten entfernen. Eger zahlte 600 Euro für das Gutachten – und wässerte seine Bäume erst einmal ausführlich. Sie zu fällen "habe ich mich dann doch nicht getraut".
Was Eger damals nicht wusste: 2008 und 2009 genehmigte das Landratsamt Böblingen 17 Geothermiebohrungen für acht Häuser in Böblingen, eines davon nur 15 Meter von Egers Heim entfernt. Mit der Wärme aus dem Boden wollten die Grundstückseigentümer ihre Häuser auf Dauer günstig und umweltfreundlich heizen. Die Gungl Bohrgesellschaft aus Renningen bohrte daraufhin bis zu 130 Meter tief in sensiblen Gipskeuper, legte die Sonden und Schläuche und verpresste anschließend die Löcher mit einem Zementgemisch.
Ab 2009 meldeten immer wieder Hausbesitzer bei der Stadt und dem Landratsamt Risse in ihren Gebäuden. Die Behörden sprachen von Einzelfällen. Noch im März 2012 schrieb das Landratsamt an den ebenfalls betroffenen Johann Binder: "Nach unserem Kenntnisstand können Erdwärmebohrungen als Ursache ausgeschlossen werden." Zu diesem Zeitpunkt wuchsen die Risse in Binders Haus, zwei Straßen entfernt von Eger, schon vom Keller bis in das Erdgeschoss.
Eines Morgens kam Eger aus dem Haus. Neben der Tür lag Putz. Das Geländer für die Stufen zum Eingang war von der Wand abgerissen. "Da war einfach die Spannung zu groß." Eger, der 20 Jahre lang sein Haus Stück für Stück selbst renoviert hat, sägte den Handlauf ab und verputzte die Wand.
Der Schwabe Eger ist kein Mensch, der sich schnell aufregt. Er kann mehr als eine Stunde über sein Haus und die Risse referieren, ohne dass er laut wird und ohne dass ihm die Worte fehlen. Nur irgendwann sagt er Sätze wie: "Man lebt in der ständigen Angst, dass etwas Schlimmeres passiert." Da klingt seine Stimme dann doch brüchig.
Die Risse auf den Außenwänden, die sich wie die kahlen Äste von Bäumen nach oben ranken, schmierte Eger regelmäßig mit Acryl zu. Der Anbau fing irgendwann an, sich vom Altbau aus dem Jahr 1952 zu lösen. Mittlerweile ist es ein knapp drei Zentimeter breiter Spalt, den er immer wieder versucht abzudichten. Aber: "Man merkt, es hat keinen Wert." In der Küche wandern die Fliesen auseinander, im ersten Stock zersplittert schon der Boden um den Riss herum.
7 Kommentare verfügbar
Zimtstern
am 27.06.2014Das könnte eine Erklärung sein, aber ich glaube nicht, dass es die Einzige ist. Eher musste ich beim Lesen des Artikels sofort an Ettringittreiben…