Ergebnis des Streiks war ein Anerkennungstarifvertrag für Angestellte und Redakteure in zwei Gesellschaften des Schwabo mit Bestandsschutz bis 2014. Was Neueinstellungen anbelangt, hat Huber seit Anfang 2012 allerdings freie Hand. Und so suchte der Schwabo beispielsweise Mediengestalter für ein Bruttogehalt von 1500 Euro pro Monat, ohne Urlaubsgeld, ohne Jahresleistung, aber mit 40-Stundenwoche. Dafür wollte keiner arbeiten. Jetzt werden 2200 Euro geboten. Redakteure bekommen ein Eingangsgehalt von 3000 Euro, haben eine 40-Stunden-Woche, 26 Tage Urlaub, kein Urlaubsgeld, keine Jahresleistung. Hungerlöhne sind das, verglichen mit dem Tarif.
Die Gehaltsdifferenzen versauen das Betriebsklima
"Eine unter diesen Bedingungen eingestellte Redakteurin wurde in einem Gespräch mit uns von Chefredakteur Martin Wagner, der zugleich auch Geschäftsführer der Redaktionsgesellschaft ist, als leuchtendes Beispiel hingestellt", sagt Kreft. Für dieses Geld "findet man Leute und die brennen", schwärmte Wagner. Die junge Frau, für die Mantelredaktion eingestellt, ist längst wieder weg. Zwei neue Redakteure, einer für die Mantel-, einer für die Lokalredaktion, haben sich beworben. Der Schwabo braucht neue Redakteure, denn viele sind gegangen. "Wenn ein Redakteur die Chance hat, wegzugehen, geht er", sagt Betriebsrat Christoph Holbein. Kreft vermutet, dass der "Schwabo für die meisten nur noch ein Einstieg in den Beruf ist, ein Sprungbrett. Und dann gucken sie nach einem Job, der besser ist." Die entstehenden starken Gehaltsdifferenzen sind ungut für das Klima zwischen denjenigen, die länger da sind und mehr verdienen, und denjenigen, die kommen und wenig verdienen. "Und das ist ein Druckpotenzial, wenn es die Neuen für 30 Prozent weniger Gehalt machen als die alten Redakteure", sagt Kreft.
Druck entsteht auch durch Gerüchte. Die Mantelredaktion in Oberndorf wird bald ganz zugemacht, besagt das jüngste. In diesen Wochen wurde ein Redakteur aus Oberndorf nach Möhringen delegiert, um dort nach Möglichkeiten zu forschen, wie sich die Mantel-Kooperation mit den "Nachrichten" noch weiter intensivieren lässt. "Da geht es um die komplette Produktion des Mantels in Stuttgart, dann verlieren wir in Oberndorf weitere zehn Leute", fürchtet der Gewerkschafter Kreft.
Redakteure sollen auch PR-Texte schreiben
Die Schwabo-Chefs höhlen neben dem Tarifvertrag auch immer unverhohlener die Trennung zwischen Werbung und redaktionellem Teil aus: Das Unternehmen erwartet von Redakteuren, die nicht für die Anzeigenabteilung der Beilagenblätter arbeiten, dass sie PR-Texte schreiben. Mit dem entsprechenden Einfluss des Auftraggebers, wie jüngst bei einer Familienbeilage. "Wir sind im Betriebsrat dabei, uns zu informieren, wie wir uns dagegen verwahren können", sagt Holbein. Er findet, "dass der Einfluss von Inserenten auf den redaktionellen Inhalt hier eine neue Qualität erreicht". Manche Leser sind da schon weiter: Im Internet kursieren beinahe täglich Hinweise auf falsche oder interessengeleitete Berichterstattung im Schwabo. Auch Journalistenkollegen blasen in dieses Horn.
Martin Himmelheber zum Beispiel, früher Redaktionsleiter beim Radio Neckarburg, heute Redakteur bei der Online-Zeitung "Neue Rottweiler Zeitung". Er liest den Schwabo seit Jahrzehnten und findet, dass seine Lokalteile dort, wo die Zeitung Monopolist ist, "müde und langweilig sind, und von Lesern zu Recht für die Tippfehler, für die einseitige Berichterstattung, für die vielen abgeschriebenen Pressemitteilungen kritisiert werden". Dort, wo der Schwabo Monopolist ist, weil sich Rebmann 2004 mit der "Schwäbischen Zeitung" arrangiert hat, die ihre Büros in Rottweil und Schramberg schloss, im Gegenzug der Schwabo seine im Kreis Tuttlingen, "sind beide Blätter schlechter geworden", findet nicht nur Himmelheber.
Und dann noch die Geschichte mit dem Waffenhersteller Heckler & Koch, der in Oberndorf sitzt und ins Visier der Staatsanwaltschaft geriet, weil er angeblich Waffen in mexikanische Unruhegebiete geliefert hatte. Nachdem die Firma dies drei Jahre lang dementiert und der Schwabo brav alle Dementis abgedruckt hatte, räumte H & K am 24. April 2013 per Aushang im Betrieb ein, dass mindestens zwei Mitarbeiter Waffen nach Mexiko geschickt hatten. Der Schwabo brauchte zwei Wochen, um dies zu berichten. Das hätte der Bote, der vor dem "Schwarzwälder Boten" steht, schneller hingekriegt.
9 Kommentare verfügbar
Marco Schneider
am 04.09.2015Via Listenprivileg wird versucht neue Abonennten zu gewinnen. Gestreckt über…