Auf dem Buchmarkt etablieren sich viele klingende Namen, der Trimmel-Erfinder Friedhelm Werremeier, Hansjörg Martin, der gebürtige Stuttgarter Michael Molsner oder Irene Rodrian. Der "Spiegel" wird sie und eine Handvoll andere später adeln als jene Generation, die der freien Entfaltung des Krimis in Deutschland zum Durchbruch verholfen hat – von der Beschreibung und Aufklärung dunkler Machenschaften lebend und gesellschaftliche Freiheit voraussetzend. "Ein Genre der Demokratie", schreibt das Hamburger Magazin. Schon vor mehr als 20 Jahren fällt auch das Stichwort "regional". Denn der Regionalkrimi, gesendet wie gedruckt, beginnt sich zu entfalten. In guten Geschichten agieren laut "Spiegel" "zwar regional gefärbte Figuren, die aber für ein überregionales Publikum geschaffen sind".
Insgesamt aber wird dem neuen Regionalverständnis im eben erst wiedervereinigten Deutschland ein verheerendes Zeugnis ausgestellt: Die Geschichten von landauf, landab ihr Unwesen treibenden Bösewichten zehrten "so stark von lokalen Einzelheiten, dass Kölner Krimis für Münchner Fans kaum noch attraktiv sind". Sie kämen im besseren Fall als "Teil einer Heimatfolklore", im schlechteren einfach nur provinziell daher. "Jeder Baum ist korrekt beschrieben, jede Weggabelung vorher besichtigt", mosert der WDR, weil "die Autoren solcher Bücher sich für gewöhnlich über ihr mangelndes Schreibvermögen hinwegmogeln und trotzdem schon ab Seite 20 selber den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr sehen".
Mit den Jahren verändern sich Anspruch und Geschmack. Das Angebot ist ausgefranst wie ein Flickenteppich. Sogar am Krimitermin aller Termine, dem Sonntagabend im Ersten. Gut drei Dutzend "Tatort"-Produktionen liefern die ARD-Sender Jahr für Jahr, Ermittlerteams mit und ohne Psychoticks kommen und gehen. In 61 Prozent der Fälle übrigens, wie Fetischisten herausgefunden haben, aus für die Zuschauer völlig unerfindlichen Gründen. Mitte April gibt's den ersten Nürnberger Fall, in Erfurt ist die televisionäre Verbrechersuche nach nur zwei Versuchen schon wieder eingestellt. Und der Lokalkolorit à la Schimanski, mit "Duisburg Ruhrpott"-Charme und gern "Bis zum Hals im Dreck", ist längst ersetzt durch Schnittbilder. Stuttgart wird standardmäßig kenntlich gemacht durch den bei Alt und Jung beliebten Schwenk über die Halbhöhe. Imponierend wie sättigend das ewige Überangebot: In der KW 13 laufen, die Wiederholungen in den Dritten eingerechnet, zwölf unterschiedliche Produktionen.
Noch unermesslicher ist die Print-Flut. Regionalverlage überschwemmen den Buchmarkt mit Hunderten Neuerscheinungen im Quartal. Und das keineswegs ohne Erfolg. Eben erst wurde auf der Buchmesse in Leipzig verkündet, dass jeder erwachsene Deutsche per anno 2,4 regionale Titel kauft. Längst haben sich sogar vagabundierende Söldner und -innen einen Namen gemacht, die gar nicht aus einer bestimmten Gegend stammen, sondern nach einschlägiger Schnellbleiche in Sachen Watt oder Lausitz, Harz, Sauerland oder Alpenvorland angeblich authentische Geschichten basteln.
Verschwörerische Viererbande mit Grauburgunder
Im Stella, nur einen Steinwurf entfernt von jener Stätte, an der bis 1811 Mörder und Räuber und die bloß dafür Gehaltenen ihres Hauptes beraubt wurden, nimmt Dengler einen großen Schluck von seinem Grauburgunder. Die vier wollen ihren Auftritt besprechen, die Rollen verteilen, die Einsätze üben. Er hat eine aberwitzige 13-seitige Empfehlungsliste für bayerische Bibliotheken, mit mehr als 80 Regional-Titeln aus einem einzigen Jahr mitgebracht. Und einen Text von Axel Hacke, den er im Renitenztheater zu verlesen gedenkt:
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