Das Gespräch mit Kontext läuft übers Netz, sechs BesetzerInnen sitzen und stehen in einem Zoom-Kästchen, eine Übersetzerin, eine Journalistin vor Ort mit Verwandtschaft im Rems-Murr-Kreis. Im Hintergrund hängt ein Che-Guevara-Poster, Protest-Plakate stehen an den Wänden. Der gesamte Ort sei in die Besetzung involviert, sagt Cataldo Formaro, der ehemals leitende Arzt am Krankenhaus. Weil alle betroffen sind, alle EinwohnerInnen von Cariati. Viele sind sogar in diesem Krankenhaus geboren, bevor es geschlossen wurde. Wie auf Bestellung schiebt einer einen Obstkorb ins Bild – Äpfel, Birnen, Nüsse, gerade – in questo momento – haben den die Nachbarn vorbeigebracht zur emotionalen und geschmacklichen Unterstützung der BesetzerInnen. Im Zoom-Kästchen herrscht großes Hallo. Dann ist wieder Ruhe. Erst sei das Problem des Krankenhausmangels ein regionales rund um Cariati gewesen, irgendwann betraf es ganz Kalabrien, sagt der Arzt Cataldo Formaro.
Medizinisches Personal sei vorhanden, die Ausstattung super, erzählt er, die Klinik hatte eine Radiologie, eine Gynäkologie, ein eigenes Labor, eine Physiotherapie-Abteilung. Die Zimmer seien nach wie vor in perfektem Zustand, es gebe Sauerstoffanschlüsse für Covid-Patienten, die Chirurgie sei super ausgestattet und einsatzbereit, jedes Zimmer habe eine funktionstüchtige Heizung.
1.000 Kilometer zum Arzt
Das italienische Fernsehen berichtet über die Besetzung, lokale Medien, ein bekannter Arzt aus dem Ort, Cataldo Perri, hat einen offenen Brief in der Zeitung "La Repubblica" veröffentlicht. Gerichtet an den Gesundheitskommissar der Region Kalabrien, an Premierminister Giuseppe Conte, an den Gesundheitsminister Italiens Roberto Speranza. Perri ist selbst krank, Bauchspeicheldrüsenkrebs, und er weiß genau, wie es sich anfühlt, für jede Behandlung stundenlang fahren zu müssen. Im fast 1.000 Kilometer entfernten Bologna war er zur Diagnose, in Verona zur Biopsie, in Rozzano zur Behandlung. Städte, die ganz oben am Stiefel liegen, 1.000 Kilometer entfernt von Cariati. Dort, so beschreibt es der Arzt, seien neapolitanische, apulische, sizilianische und kalabrische Dialekte zu hören, die Menschen kämen von überall, weil es in ihrer Region viel zu wenig Krankenhäuser gibt, und für zu viele Patienten zu wenige Ärzte.
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Magdalena Schrade
am 09.12.2020