KONTEXT:Wochenzeitung
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Make love, not money

Make love, not money
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Wir von der Kontext:Wochenzeitung hatten in der letzten Ausgabe eine, wie wir glaubten, gewagte Prognose formuliert: dass die New Yorker Aktion "Occupy Wall Street" über den Großen Teich schwappt. Keiner von uns hätte darauf gewettet, dass dies so rasch passieren würde. In Stuttgart, am Börsenplatz, gaben alte Regenschirme dem jungen Protest symbolisch Ausdruck. "Ihr spekuliert mit unserem Leben", skandierten die Demonstranten in Mainhattan und prangerten Macht und Gier von Banken und Börsendealern an.

Proteste am Börsenplatz in Stuttgart. Foto: Chris Grodotzki

In Stuttgart, am Börsenplatz, waren es alte Regenschirme, die dem jungen Protest symbolisch Ausdruck gaben. "Ihr spekuliert mit unserem Leben", skandierten zur selben Zeit die Demonstranten in Mainhattan und prangerten die Macht und Gier von Banken und Börsendealern an. Und auch die Berliner Okkupisten, rund 10 000 an der Zahl, übten sich am vergangenen Samstag vor dem Kanzleramt in kreativer Protestsprache: "Yes, we camp", stand auf Bannern und Transparenten. Oder: "Divided we fall, united we stand." Oder: "Ätsch, Marx hatte doch recht." Junge Menschen, die sich auf der bevölkerten Reichstagswiese wie bei einem Sit-in niedergelassen hatten, stellten ein Pappschild auf: "Make love, not money." Als ob sich Protestgeschichte plötzlich wiederholen würde.

Wir von der Kontext:Wochenzeitung hatten in unserer letzten Ausgabe eine, wie wir glaubten, gewagte Prognose formuliert: dass die New Yorker Aktion "Occupy Wall Street" eine Welle auslösen wird, die über den Großen Teich schwappt, und dass auch in Deutschland, vor der eigenen Haustüre, junge Menschen die Revolution proben werden, weil sie den kapitalen Irrsinn und das groteske Größenwahn-Spiel eines ausufernden Kapitalismus nicht In Berlin auf der Reichstagswiese: Make love, not money. Foto: Ruben Neugebauermehr mitspielen (<link _blank internal-link>Besetzt das Leben!). Keiner von uns hätte darauf gewettet, dass dies so rasch passieren würde. Es scheint rund um den Globus etwas aufgebrochen zu sein – von Spanien bis Israel und Japan, von Metropolen wie New York und Berlin bis in den Wilden Westen oder nach Alaska, wo eine Wissenschaftlerin einsam die Tundra besetzte.

Wird das die "globale ethische Revolution", wie Demonstranten auf Transparenten schrieben, oder war der 15. Oktober nur ein Aktionstag? Wird sich der 68er-Protest wiederholen, oder ist es eine ganz neue und andere Bewegung? Wohin wird sie führen, was kann oder wird sie bewirken, wird sie überhaupt etwas verändern können? Wird die Politik, um von ihrer eigenen Mitverantwortung für die teilweise absurde Entwicklung einer zügellos gewordenen Geldmacht abzulenken, die Occupy-Bewegung selbst zu okkupieren versuchen? Sind Aussagen von Kanzlerin Angela Merkel und Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble, man habe "Verständnis" für diese neuen Proteste und nehme sie sehr ernst, nur Lippenbekenntnisse? Ist das Raubtier Turbokapitalismus überhaupt noch zu bändigen, oder hat es sich längst in die Gehirnzellen der Gesellschaft hineingefressen?

So viele Fragen. In den Medien werden sie jetzt ventiliert, kommentiert und reflektiert. Manche Journalisten sehen aus der sicheren Entfernung ihrer Redaktionsstuben schon wieder die Wutbürger am Werk, andere berichten mit ironischem Unterton von Sozialromantikern oder Weltverbesserern und monieren, dieser Protest sei doch noch arg diffus. Und so emotional. Zuweilen verirrt sich das exotische Wort Sehnsucht in manchen Leitartikel.

Die Demonstration in New Haven in den USA erinnert an die Proteste im Stuttgarter Schlossgarten. Foto: Carl Weese

Prägnante, auch provozierende Antworten auf all diese spannenden Fragen müssten eigentlich dort gegeben werden können, wo sozusagen das deutsche Protest-Kompetenzzentrum ansässig ist: in Stuttgart. Immerhin hat man in Baden-Württemberg, dem direktdemokratischen "Labor", schon einschlägige Erfahrung mit der postmodernen "Revolution", zumindest mit einer Variante. Und auf einem Transparent, das Wall-Street-Demonstranten in New York in die Höhe und in klickende Kameras hielten, hing er ja auch, zwar klein, aber eindeutig sichtbar: der fast schon legendäre Aufkleber der Stuttgart-21-Gegner.

Na, wenn das kein Zeichen ist! Also, liebe protesterfahrene Leserinnen und Leser, lassen Sie uns Ihre Expertenmeinung wissen: Was steckt in der Occupy-Bewegung, wie wird sie weitergehen, wohin wird sie führen?


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2 Kommentare verfügbar

  • Dieter
    am 22.10.2011
    Antworten
    Stuttgart, 15. Oktober, war für mich eine große Enttäuschung. Ich kam zum Schlossplatz aus reiner Neugier, ob Stuttgart es schafft, eine Occupy-Bewegung zu formen. Leider war es aus meiner Sicht ein Desaster.
    Wie kann man einen von einer Gewerkschaft reden lassen und die Leute klatschen ohne…
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