An der nächsten Haltestelle trifft Lupus auf die herbeigerufene Streife. Die Beamten schauen skeptisch – die Hobbysheriffs sind inzwischen stadtweit bekannt. "Wir kümmern uns drum", sagt der echte Polizist und gibt Gas. Unterfranken gehört zu den sichersten Regionen Deutschlands. "Mit über zwölf Prozent hat Würzburg den größten Kriminalitätsrückgang unter den bayerischen Großstädten zu verzeichnen", heißt es in der Sicherheitsbilanz 2012 des Polizeipräsidiums Unterfranken. Wurde 2009 noch in 127 Fällen wegen gefährlicher Körperverletzung im öffentlichen Raum ermittelt, sank dieser Wert 2012 auf 94 Fälle. Auch die Zahl der Sachbeschädigungen nimmt ab, wie die Polizei betont. Die Botschaft ist klar: Würzburg braucht keine Bürgerwehr, die 220 echten Beamten haben alles im Griff.
Was dabei gerne vergessen wird: Auch die Würzburger Polizei setzt 14 ehrenamtliche Helfer ein. Die "Bayerische Sicherheitswacht" besteht aus Freiwilligen, die vor allem tagsüber unterwegs sind und verdächtige Aktivitäten per Funk melden – eine "bessere und rechtsstaatliche Alternative" zur Bürgerwehr, findet die Polizei. Ein typisch bayerisches Phänomen ist das nicht. Der sogenannte freiwillige Polizeidienst existiert in vier Bundesländern; in Baden-Württemberg dürfen Hobbypolizisten sogar eine Schusswaffe tragen. Und doch gibt es einen großen Unterschied zu selbst ernannten Ermittlern wie Lupus: Die freiwilligen Polizisten werden von den Behörden geschult – und unterstehen ihnen auch. Das Gewaltmonopol bleibt also beim Staat.
0.30 Uhr: Auf dem Weg zum Hauptbahnhof hält ein weiterer Streifenwagen an. Vorsorglich legt Vetter seinen bruchsicheren Regenschirm zur Seite, als die Polizisten auf ihn zukommen. "Ich trage keine Waffen bei mir", sagt er und öffnet zum Beweis die Jacke. Die Lupus-Mitglieder kennen die Prozedur: Wenn sie nachts unterwegs sind, werden sie häufig kontrolliert; der Staat will keine Selbstjustiz dulden. Gehörten Elektroschocker, Nachtsichtgeräte und Pfefferspray früher zu Vetters Standardausrüstung, beschränkt er sich nun auf seinen Regenschirm. Laut Oberstaatsanwaltschaft laufen mehrere Verfahren wegen gefährlicher Körperverletzung, Nötigung und Amtsanmaßung. Im Internet stellen die Wölfe ihre Einsätze freilich anders dar: "Vandalismus, Beleidigungen, Belästigungen und Rangeleien: Der Würzburger Bahnhof ist immer facettenreich."
Polizei und Bürger sind genervt von ihrer Eingreiftruppe
Nach einem unspektakulären Rundgang wärmen sich Vetter und Appel bei McDonald's auf. Mit einer Cola in der Hand erklärt der Lupus-Chef, warum er sich ungerecht behandelt fühlt. "Den Oberen geht es mächtig gegen den Strich, dass wir ohne Auftrag arbeiten. Die Polizei hat Angst, blöd dazustehen." Früher verdiente Vetter sein Geld als Türsteher, seinen späteren Job als Altenpfleger hat er verloren – wegen Lupus, wie er sagt. Nun sitzt er im Supermarkt an der Kasse, will aber nachts trotzdem weiter auf Streife gehen. "Sonst hätten die ja gewonnen." Wer "die" sind, wird nicht ganz klar. Politiker, Polizisten, Beamte und Anwälte: Sie alle haben sich gegen die Hobbypatrouille verbündet. Im Internet wettern Würzburger, es werde nun langsam Zeit, "das Rumgekasper der Avengers einzustellen" – und das ist noch einer der netteren Ausdrücke.
Einfach verbieten kann man ihre Steifzüge nicht. "Wird jemand auf frischer Tat betroffen, (...) ist jedermann befugt, ihn auch ohne richterliche Anordnung vorläufig festzunehmen" – so steht es in der Strafprozessordnung. Aus Sicht der Polizei überdehnen die Lupus-Mitglieder diese "Jedermannrechte" aber gewaltig. "Sie sind nur für Notfälle gedacht und nicht für die gezielte Suche nach angeblichen Ordnungsstörern", betont Michael Zimmer vom Polizeipräsidium Unterfranken. "Das Engagement dieser Truppe ist weder erforderlich noch zielführend, sondern vielmehr kontraproduktiv." Zivilcourage definiert Zimmer anders: "Hin- und nicht wegschauen, wenn eine Straftat passiert – und sofort die Polizei rufen."
Dass die Beamten die Wölfe für mehr als eventhungrige Jugendliche halten, wird am 20. September 2013 klar. Mit großem Aufgebot stürmen sie Vetters Wohnung. Die "Bescheinigung über sichergestellte Gegenstände" listet detailliert auf, was dabei beschlagnahmt wird: Wärmebildkamera, Handschellen, Funkgerät, Pfefferspray – aber auch eine Gürteltasche mit Einweghandschuhen, die Lupus für Erste-Hilfe-Einsätze verwendet. Wie die aussehen, kann man in ihrer Facebook-Gruppe nachlesen, natürlich aus der Sicht der Wölfe: "LUPUS 13/09 leitete unmittelbar Reanimationsmaßnahmen ein und konnte so (...) den jungen Mann unter Beatmung und Herzdruckmassage zurückholen, noch bevor RTW und Notarzt eintrafen."
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Tillupp
am 19.02.2014