Salem Mohamood Ayzdo führt eine Zigarette zum Mund, knipst mit der linken Hand sein Feuerzeug an und zieht. Die Flamme versengt den Tabak. Den Rauch presst er über die Lippen hinaus, er verteilt sich auf 4,5 Quadratmetern. So viel Enge steht dem irakischen Asylbewerber in der Gemeinschaftsunterkunft Holzbachtal im Enzkreis zu.
Der Rauch wabert zur niedrigen Zimmerdecke hinauf, streift eines von zwei Stockbetten: durchgelegene Matratzen auf quietschendem Lattenrost, gelbliche Umrisse von alten Flecken auf den Bezügen, jemand hat mit schwarzem Stift arabische Worte auf die ausgebleichten Tapete geschrieben. Gegenüber dem Bett steht ein Fernseher, darauf eine kleine Uhr. Die Zeiger bewegen sich, aber im Flüchtlingsheim an der Pforte zum nördlichen Schwarzwald beachtet sie niemand. Die Zeit ist nicht so wichtig. Davon haben sie dort genug.
Kürzlich haben die Medien darüber berichtet, dass in Stuttgart Flüchtlinge demonstrieren – gegen Essen in Paketen, gegen dauernde Bevormundung und für die Möglichkeit auf Arbeit und Integration. Sie kamen aus Bad Mergentheim, aus einem der 71 Heime, die es in Baden-Württemberg gibt. Die Zustände dort: gruselig, sagten sie. In dem Asylbewerberheim im Holzbachtal zwischen Bad Herrenalb und Straubenhardt sind sie anders. "Romantisch" sei die Landschaft, schreibt die Gemeinde auf ihrer Homepage, "herrlich" und inmitten von "sechs liebenswerten Dörfern".
Hinter dem weißen Haus mit der braunen Aufschrift "Pension" kommt dichter Wald. Seine besten und auch die guten Jahre hat das Haus lange hinter sich. Es gibt kein Internet und kein Handynetz. Pforzheim, die nächstgrößere Stadt, ist 20 Kilometer weit weg. Ein Busticket dorthin kostet etwas über drei Euro, mehr als 40 Minuten Fahrtzeit, den 25-Minuten-Fußmarsch zur Haltestelle nicht mitgerechnet. Die Gäste, die sich früher ein Zimmer in dem abgelegenen Gasthaus nahmen, waren auf Ruhe, Entspannung und Abgeschiedenheit aus. Die Flüchtlinge, die jetzt hier leben, suchen das Gegenteil. Sie wollen Teil der Gesellschaft werden, dazugehören. Aber dazugehören ist nicht so einfach, wenn man mitten im Nirgendwo leben muss.
Erst die Flucht – und was kommt dann?
Salem sieht aus dem Fenster. Der 24-Jährige teilt sich die Aussicht auf den verfallenden Gasthof nebenan mit drei Mitbewohnern. Der eine stammt aus Syrien, der Nächste aus Afghanistan, der dritte floh aus Russland.
Für 7000 Euro bekam Salem einen Platz auf der Ladefläche eines Lkw. Der Schlepper brachte ihn versteckt hinter geladenen Waren aus dem Irak über die Türkei und Italien nach Deutschland. Das Geld für die Fahrt bekam er von seinem Vater, der mit der Mutter und den sechs Brüdern in seiner Heimat zurückgeblieben ist. Von seiner Freundin hat Salem seither nichts mehr gehört. Warum er fliehen musste, will er nicht sagen: "Ich hatte Probleme mit ein paar Leuten", erzählt er. Salem starrt auf die Tischplatte, sein Fuß wippt auf und ab.
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Horst
am 16.12.2013