Es ist der 18. August 2006 auf der Autobahn A 8 nahe des Stuttgarter Flughafens. Ein schwarzer Mercedes wird von einem Spezialeinsatzkommando (SEK) gestoppt und auf den nächsten Parkplatz gelotst. In dem Auto sitzen Elena R. und ihr Ex-Ehemann Oleg. Sie kommt gerade von ihrem Arbeitsplatz, dem Honorarkonsulat der Russischen Föderation für Baden-Württemberg in Stuttgart. Die alleinstehende Mutter, in Moskau geboren, lebt seit 1990 in Deutschland und kümmerte sich bis dahin ausschließlich um die Förderung ihres Sohnes Alan, der eine hoffnungsvolle Karriere als Eiskunstläufer vor sich hatte. Mit ihrem Ex-Ehemann, einem Unternehmer aus Moskau, wollte sie ihren Sohn im Trainingszentrum in Garmisch-Partenkirchen besuchen.
Zur gleichen Zeit werden andernorts zwei weitere Männer verhaftet: Alexander Lust und Alexander Afansiev. Mit Letzterem war Elena R. im Jahr 1999 eine Scheinehe eingegangen, um ihm die Einreise nach Deutschland zu ermöglichen, für eine Operation durch einen Stuttgarter Orthopäden. Afansiev war ein erfolgreicher Geschäftsmann, der zweifellos auch Verbindungen ins kriminelle Milieu hatte – sonst wäre ihm in Russland kein Erfolg gegönnt gewesen.
Alexander Lust hingegen war in Russland Untersuchungsrichter. Er kam bereits in den achtziger Jahren auf die schwarze Liste des KGB und trat 1988 aus der Kommunistischen Partei aus. Im Jahr 1990 kündigte er seine Stelle aufgrund massiver Repressionen des KGB gegen ihn und kam zusammen mit seiner Ehefrau und den beiden gemeinsamen Kindern nach Deutschland. Da er keine Chance sah, hier als Jurist zu arbeiten, machte er eine kaufmännische Ausbildung und gründete 1994 eine eigene Firma.
Gegen alle Festgenommenen lag ein Haftbefehl der Staatsanwaltschaft Stuttgart vor. Der schwere Vorwurf: Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung. Sie sollen der gefährlichsten russischen kriminellen Gang angehören, der "Ismailowskaja", für die sie in Baden-Württemberg Millionen Euro gewaschen haben sollen. Für die Ermittler des Landeskriminalamtes (LKA), die seit über zwei Jahren an dem Fall arbeiteten, schien es ein riesiger Fahndungserfolg zu sein.
"Du musst dein bisheriges Leben vergessen"
Bereits auf der Fahrt zur Haftrichterin eröffnete ein LKA-Beamter der vollkommen verschüchterten Elena R., sie müsse nun mit einer langjährigen Haftstrafe rechnen. Es sei denn, sie kooperiere mit ihnen. Ihr Sohn Alan wurde zwischenzeitlich ins LKA nach Stuttgart gebracht. Ihm erklärten die Beamten: "Dein Vater hat falsche Freunde, und deshalb musst du dein bisheriges Leben vergessen. Du darfst nie wieder Eiskunstlaufen, deine Karriere ist damit beendet. Du gehst mit deiner Mutter ins Zeugenschutzprogramm."
Ziel der Operation: Von den Verhafteten erhofften sich die Ermittler Informationen über den steinreichen russischen Oligarchen Oleg Deripaska. Ihm werden von internationalen Polizeibehörden enge Beziehungen zur "Ismailowskaja" vorgeworfen. Gerichtsfest bewiesen werden konnte das nie, was wohl auch damit zu tun hat, dass Oligarchen wie er im Kreml unter Wladimir Putin geschützt wurden und werden.
4 Kommentare verfügbar
Prozessbeobachter
am 22.07.2021warum werden die Namen von Oleg R. und Elena R. abgekürzt und Alexander Lust mit vollem Namen genannt? Ich könnte den Namen R. in diesem Kommentar gleich nennen.
Aus diesem Grunde bitte ich Sie, den Namen Lust abzukürzen und anschließend diesen Kommentar zu löschen.
Im Übrigen, was für die…