Behauptet haben wir das ja schon immer. Lokalzeitungen sind wichtig, wichtig, wichtig. Wichtiger als Online-Texte über Duschkabinenreparatur oder Orgasmusprobleme. Nur wenn Menschen die Chance haben, zu erfahren, warum der Gemeinderat die Hauptstraße sperrt, wer das Baugelände bekommt oder welche Fraktionen Sozialleistungen streichen wollen, können sie sich einmischen. Wenn niemand mehr vor Ort professionell recherchiert und schreibt, dann – ja dann ist das nicht nur doof, dann ist die Demokratie in Gefahr.
Das klingt zwar logisch, entbehrte bislang aber der nachprüfbaren Belege. Bislang! Nun hat Maxim Flößer, Kontext-Autor und Sozialwissenschaftler, eine wissenschaftliche Studie vorgelegt. In seiner Masterarbeit für die Uni Stuttgart hat er untersucht, in welchen Kommunen in Baden-Württemberg es Lokalzeitungen beziehungsweise Lokalredaktionen gibt und in welchen nicht und hat sich dann die AfD-Ergebnisse der Landtagswahl 2021 in den Kommunen angeschaut. Siehe da: wo keine Lokalzeitung, da mehr AfD-Stimmen.
Erstaunlicherweise ist Maxim Flößer der erste, der das in Baden-Württemberg so untersucht hat. Warum die sozialwissenschaftliche Forschung hierzulande sich dafür so wenig interessiert? Weil nationale und internationale Forschung mehr Renommee einbringt, sagt der Stuttgarter Demokratieforscher André Bächtiger. Also lässt man die lokale Ebene links liegen. Ausgerechnet! Dort, wo Frauen, Männer, Kinder leben, wo es um ihre Busse, Wohnungen, Schulen, Kitas geht, ausgerechnet dort ist das Interesse für das, was Demokratie am Leben erhält, gering. Kleine Anregung an die Wissenschaftsministerin: Macht mal Geld für diese Forschung locker.
Was lehrt uns nun die Arbeit von Flößer? Klar, Lokalzeitungen müssen her! Ja aber, heißt es dann aus Zeitungsverlagen und Parteien, die Werbeeinnahmen sinken, die Papierpreise steigen – wie soll das finanziert werden? Zum einen steht die Frage, ob Verlage tatsächlich so wenig verdienen, dass Lokalredaktionen geschlossen werden müssen, oder ob da nicht die Gewinnmaximierungsmaxime übertrieben wird. Zum anderen: Ein Blick in Nachbarländer könnte helfen. Nein, nicht Bayern oder Rheinland-Pfalz. Weiter schauen. In Skandinavien zum Beispiel gibt's Staatsknete für professionelle Redaktionen, die regelmäßig vor Ort berichten. Weil dort schon vor Jahrzehnten die Politik festgestellt hat, dass es das braucht für die Bürger:innen, für demokratische Spielregeln. Außerdem: Wie sonst soll die Politik ihre Pläne und Gesetze an die Leute bringen? Per Facebook, Telegram, Tiktok & Co.? Da herrscht bekanntlich eher der Schwachsinn.
Es bleibt also zu hoffen, dass die deutsche Politik nicht zu lange braucht, um zu merken, dass noch etwas zu retten ist beim hiesigen Lokaljournalismus. Wenn aber noch mehr Redaktionen dichtgemacht werden, wird es irgendwann eng. Denn was einmal weg ist, ist nur schwer wieder aufzubauen. Freuen würde diese Entwicklung vor allem eine Partei. Die, die gerne über "Staatsmedien" schwurbelt und ihre Anhänger:innen animiert, Journalist:innen anzugreifen. Und das wollen wir doch nicht.
2 Kommentare verfügbar
Notter
am 06.03.2024Da die TAZ seit Neuestem Geld von Bärbocks Ministerium erhält, ist sie nicht mehr unabhängig, wenn sie sich nicht von der Taz trennen, kann sich die Kontext-Wochenzeitung nicht…