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Ausgeschnorrt!

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Air Berlin macht schlapp. Auf "Spiegel online" war kürzlich zu lesen, dass der Economy-Fluggast der demnächst zersprengten Fluggesellschaft nun sogar für Cola oder Tomatensaft zahlen muss. "Deutschlands zweitgrößte Fluglinie kann jeden Euro brauchen." Also bemühen wir uns, den Eintrag, der sich neulich am Schwarzen Brett der Deutschen Film- und Fernsehakademie Berlin wiederfand, unter Verarmung eines Großunternehmens zu subsumieren. 

Oder ist es doch eher die offensive Preisdrückerei, die überall in der Medienbranche stattfindet? Hier und da "mal eben" was umsonst machen. Wenn doch eh schon ein Fotograf da ist, kann der seine sowieso gemachten Bilder ja wohl rumschicken, damit Firma XY ihre Homepage damit neu gestalten kann. Oder der Kameramann, der ja sowieso schon zugange ist, kann doch sein Rohmaterial rüberwachsen lassen, damit Weiß-der-Kuckuck-wer sich daraus selbst ein Filmchen schnitzen kann. Unverschämt! Wobei wir uns hier noch in Otto-Normalverbraucher-Breiten bewegen. Nüchtern betrachtet ist die Anfrage am Schwarzen Brett, die Air Berlin da stellt, schon eine echte Frechheit. Krise hin oder her. Da stand nämlich:


Der Bundesverband Filmschnitt Editor antwortete der Fluggesellschaft per Facebook: 

"#airberlin, Ihr seid eine zuverlässige, namhafte Fluggesellschaft mit herausragender Reichweite?

Wir, der Bundesverband Filmschnitt Editor e. V. (BFS), suchen eine Fluggesellschaft zwecks kostenfreiem Transport unserer Mitglieder (weltweit). Wir bieten euch die Chance, Teil unseres kreativen Auftrags zu sein. Unser Ziel: den Bekanntheitsgrad unseres Verbandes auszuweiten und zu festigen. Alle gemeinsamen Aktionen werden auf den üblichen sozialen Kanälen verbreitet und haben das Potenzial, viral zu werden. Natürlich wäre es perfekt, wenn unsere Mitglieder nicht nur zu dienstlichen Zwecken in den Genuss von Freiflügen kommen, sondern pro Jahr und Mitglied auch mal ein kurzer Urlaubstripp nach Malle drin wäre.

Neben der Referenz, ein Kooperationspartner des größten deutschen Editorenverbandes zu sein, winken euch Kino-Gutscheine, ein tolles TV-Programm sowie die Aussicht auf weitere Kooperationen in der Zukunft! Bewerbt euch mit einem kurzem Motivationsschreiben + Referenz – alleine oder im Team bis Sonntag, den 25. 9. 2016 23.59 MEZ.

Liebe Grüße vom BFS-Vorstand"

Gut gebrüllt, Löwen. Doch dass es kein Richtiges im Falschen gibt, das wusste schon Chefdenker Theodor W. Adorno. Während sich die FilmerInnen nämlich über die Billignummer von Air Berlin echauffieren, merkt ein weiterer Facebook-User an, dass die Filmbranche selbst "von uns Komponisten erwartet, dass wir für ihre Filmprojekte kostenfrei [...] arbeiten". Uff. Zum Glück gibt es Sie, werte LeserInnen. Sie wissen nämlich, dass Arbeit Geld kosten.


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