Sie wollten den tiefen Graben in der Partei zuschütten, die SPD-Frauen Brigitte Dahlbender und Hilde Mattheis. Eine Allianz der Vernunft wollten sie schmieden, wie sie der Kontext:Wochenzeitung sagten, um den parteiinternen Streit zwischen Befürwortern und Gegnern des Stuttgarter Tiefbahnhofs in rationale Bahnen zu lenken. Sie regten an, eine "Charta für fairen innerparteilichen Umgang mit dem Volksentscheid zu S 21" zu erstellen, einen Verhaltenskodex, der sich an der Ulmer Erklärung der SPD orientiert, die da heißt: Es gibt in der Partei beide Positionen zu S 21. Und: Es gilt, die grün-rote Koalition nicht zu gefährden.
Diese Frauen sind keine No-Names. Brigitte Dahlbender kennt seit der öffentlichen Schlichtung jeder als Landeschefin des BUND und Sprecherin des Aktionsbündnisses. Die Bundestagsabgeordnete Hilde Mattheis sitzt im SPD-Landesvorstand. Beide wissen sich einig mit Leni Breymaier, Verdi-Landesbezirksleiterin und ebenfalls stellvertretende SPD-Landesvorsitzende. Alle drei betonen: Die SPD braucht mehr innerparteiliche Demokratie und Diskussion. Und sie muss in der grün-roten Koalition ein verlässlicher Bündnispartner werden.
Die Frauen vom Bündnis der Vernunft befürchteten Alleingänge der SPD-Befürworter Schmid und Schmiedel vor dem Volksentscheid. Wie recht sie mit damit hatten, zeigte sich schon wenige Tage später.
Claus Schmiedel, der mit dem großen Bagger
Wieder ist es Fraktionschef Claus Schmiedel, den viele eher für eine Katastrophe als für einen Segen halten, der mit dem ganz großen Bagger die Gräben noch weiter aufreißt. Der Spezialist fürs Grobe schaffte es einmal mehr, sowohl Genossen als auch Grüne zu quälen. Statt sich als Juniorpartner einer grün-roten Landesregierung mit dem Koalitionspartner abzustimmen, wie es sein Parteichef und stellvertretender Ministerpräsident Nils Schmid angekündigt hatte, eilte der glühende S-21-Befürworter ins Stuttgarter Rathaus, um dort mit OB Wolfgang Schuster (CDU) und Fraktionschef Peter Hauk (CDU) gemeinsame Werbeaktionen auszubaldowern.
Nur zur Erinnerung: Bei der Landtagswahl im März hat die SPD das schlechteste Ergebnis seit Bestehen eingefahren. Nun ist sie dabei, sich selbst zu zerlegen. Die Volksabstimmung, so der SPD-Justizminister <link http: www.kontextwochenzeitung.de politik minister-ohne-gottes-segen-1512.html internal-link-new-window>Rainer Stickelberger im Interview mit der Kontext:Wochenzeitung, sollte einst die Brücke sein zwischen S-21-Befürwortern und -Gegnern innerhalb der SPD, sie habe die Partei auch ein Stück weit befriedet. Doch nun droht genau dieser Volksentscheid nicht nur die Partei, sondern auch die Koalition zu zerreißen.
Zuerst Gottes Segen, dann die Kungelei mit Schuster & Co. – das muss einer erst mal hinkriegen. Hilde Mattheis platzt langsam der Kragen: "Dieses Verhalten ist eine Katastrophe." Mattheis hat als Bundestagsabgeordnete schon rot-grüne Koalitionen erlebt und wundert sich ein ums andere Mal über die Unfähigkeit der Genossen im Land: "Wenn wir uns in Berlin so verhalten hätten, hätte es längst gescheppert." Schon vor Wochen hat sie eine Telefonkonferenz angeregt zwischen den vier Stellvertretern im Landesvorstand. Am Dienstag war es endlich so weit, einen Tag nach dem CDU-SPD-Gipfel. Ergebnis: Es gibt offensichtlich keinen in der SPD, der dem Glaubenskrieger Schmiedel Einhalt gebieten kann.
Kann Schmid seinen Schmiedel wirklich bremsen?
Wenig besänftigt hat die SPD-Vizechefin aus Ulm, dass nun wohl auch Nils Schmid eingesehen hat, dass es so nicht weitergehen kann. Hilde Mattheis hatte schon lange angeregt, was nun mit "herzlichen Grüßen" als Mahnung vom SPD-Landeschef gemailt wird: Die Landes-SPD solle kein Bündnis mit anderen Parteien eingehen. Alle Genossen sollten bitte für die Volksabstimmung werben. Sonst könne jeder entscheiden, wie er wolle. Aber bitte mit Respekt vor der Meinung der anderen.
Die Beschwichtigung kommt spät. Der Eindruck bleibt, dass ein Schmid den Schmiedel nicht bremsen kann. Der gibt weiter den politischen Amokläufer, so kann er sich sicher sein, dass man über ihn spricht. Dass es wenig Gutes ist und der Beifall meist von der falschen Seite kommt, kümmert ihn wenig. Die Schleifspuren in Partei und Koalition sind ihm egal. Auch die klärende Telefonschaltkonferenz scheint dem Kreuzritter für einen unterirdischen Bahnhof nicht zu größerer Einsicht verholfen zu haben. Zumal nur die SPD-Linken ein bisschen wettern durften und der Parteichef es mal wieder beim Einschwören auf sein Vier-Punkte-Programm belassen hat.
Die Sozialdemokraten im Land wären gut beraten, einen angemessenen Umgang mit dem Problembahnhof zu finden. Und sich endlich als Koalitionspartner zu präsentieren, den man ernst nehmen und dem man vertrauen kann. Bisher sind sie davon Meilen entfernt.
1 Kommentar verfügbar
canislauscher
am 14.09.2011