KONTEXT:Wochenzeitung
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Kontext unterwegs

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Wie manipulieren Medien die öffentliche Meinung? Das wollten die Besucher des "Offenen Foyers" des Treffpunkts 50plus wissen. Von der Kontext:Wochenzeitung. Die Redakteure Anna Hunger und Jürgen Lessat haben interessierten Zuhörern im Stuttgarter Treffpunkt Rotebühlplatz anschauliche Beispiele gezeigt, wie Zeitungen und Fernsehen Stimmung für oder wider machen. Von ungläubigem Kopfschütteln bis "Das hab ich mir schon immer gedacht" reichten die Reaktionen auf den Vortrag.

Guter Journalismus bemüht sich um Sachgemäßheit in der Information. Doch was ist sachgemäß? "Nicht wenige haben das Gefühl, dass es heute oft nicht mehr um die Sachen geht, über die man eine verlässliche Information erhält, sondern dass Trends gesetzt und Mainstreams produziert werden", führte Iris Wittmann-Grözinger vom Treffpunkt 50plus in die Veranstaltung des "Offenen Foyers" ein. Wie funktioniert Journalismus heute genau? In einer Zeit, in der die Menschen vom Aufwachen bis zum Einschlafen über die unterschiedlichsten Kanäle mit unzähligen Informationen überschüttet werden. Und wie groß ist der Einfluss von interessierten Kreisen, etwa aus Wirtschaft oder Politik, um die gewünschte Information zu verbreiten – oder auch umgekehrt: ihnen unangenehme Neuigkeiten zu unterdrücken?

Rund 50 interessierte Zuhörer verfolgten am vergangenen Montag den Vortrag der Kontext-Redakteure, der unter der Überschrift "Die Macht des geschriebenen Wortes" Einblicke in den Medienbetrieb gewährte. Redakteurin Anna Hunger erläuterte zunächst das journalistische Selbstverständnis der Kontext:Wochenzeitung. Als Demonstationsbeispiel hatten sich die Kontext-Journalisten ein Aufreger-Thema ausgesucht, das nicht nur in gedruckten Medien oft behandelt, sondern über das auch in allen TV-Talkshows gern heftig debattiert wird: den Strompreis.

Jüngster Anlass, um die Diskussionen wieder anzuheizen, war die Prognose der vier deutschen Übertragungsnetzbetreiber, wonach die EEG-Umlage zur Förderung von Solar-, Wind- und Biokraftanlagen im kommenden Jahr um einen auf 6,24 Cent pro Kilowattstunde steigt. "Luxus Strom", titelte der "Spiegel". "Die Stromkunden müssen im kommenden Jahr deutlich mehr für die Versorgung mit Energie ausgeben", verbreitete die "Berliner Zeitung". "Für einen Durchschnittshaushalt verteuert sich die Stromrechnung durch die Energiewende um 70 Euro im Jahr", verkündete "Plusminus"-Moderator Clemens Bratzler in der ARD. "Moment mal", warf Kontext-Redakteur Jürgen Lessat an dieser Stelle ein. "Ein Vierpersonen-Haushalt verbraucht jährlich rund 3500 Kilowattstunden Strom – die Mehrkosten betragen nach Adam Riese also 35 Euro", rechnete er vor. Was noch oben draufkommt, geht im Grunde nicht auf das Konto der sauberen Stromkraftwerke: Der Staat kassiert über die Mehrwertsteuer mit. Zudem wird ein Obolus für den Netzausbau fällig, den die Netzbetreiber in der Vergangenheit vernachlässigt haben, klärte der Journalist die Zuhörer auf.

Über den Strompreis selbst sind viele Legenden im Umlauf. "Schon jetzt zahlen die deutschen Unternehmen im internationalen Vergleich die höchsten Strompreise", behauptete etwa die "Stuttgarter Zeitung" am 29. Januar 2013. Tatsächlich jedoch gehören die Industriestrompreise hierzulande zu den niedrigeren in Europa, widerlegten die Kontext-Journalisten die Behauptung des StZ-Leitartikels anhand von Daten der europäischen Statistikbehörde Eurostat. Erstaunen pur bei den Zuhörern.

"Wie weiß ich, was wahr ist?", wollte eine Zuhörerin von den Kontext-Redakteuren während der Diskussionsrunde wissen. Eine komplexe Frage, auf die es keine Standardantwort gibt. Vielleicht nur Tipps wie diesen: "Indem Sie nicht alles glauben, was gesagt und geschrieben wird."

Den Vortrag "Die Macht des geschriebenen Wortes" halten die Kontext-Redakteure gern vor weiterem Publikum. Interessierte Gruppen und Vereine melden sich bei <link>redaktion@kontextwochenzeitung.de.

Neues zu Sant'Anna di Stazzema

Nun schließt sich der Kreis. Enrico Pieri und Enio Mancini, die Überlebenden des SS-Massakers von Sant'Anna di Stazzema, erhalten den diesjährigen Stuttgarter Friedenspreis der Anstifter. Sie setzen sich seit Jahren für die juristische Aufarbeitung des NS-Verbrechens und für internationale Verständigung ein. Und zur Preisverleihung am 10. November reisen auf Einladung der Anstifter Dorfbewohner von Sant'Anna di Stazzema nach Stuttgart.

Am Anfang stand eine Italienreise. Im Dezember vergangenen Jahres fuhr eine Gruppe von Stuttgartern nach Sant'Anna di Stazzema in der Toskana. Es war eine bewegende Reise in eine grausame Vergangenheit. Die Stuttgarter wollten erinnern an die 560 Toten des Dorfes, die 1944 Opfer eines Massakers der SS wurden. Sie sprachen mit Überlebenden, besuchten Gedenkstätten. Und sie wollten dagegen protestieren, dass die verantwortlichen SS-Männer  in Deutschland immer noch auf freiem Fuß leben – obwohl sie in Italien verurteilt wurden. Kontext-Autor Sandro Mattioli hat die Stuttgarter Gruppe auf dieser Reise begleitet; Kontext hat in den vergangenen Monaten immer wieder über die historischen, juristischen und politischen Hintergründe berichtet. 

Zur Friedensgala werden nun die Dorfbewohner zu Gast in Stuttgart sein. Die Laudatio auf die zwei Preisträger hält die bekannte italienische Journalistin Giuliana Sgrena ("Zeit"/"Il Manifesto"). Das Grußwort spricht der Soziologe Peter Kammerer, der in Urbino in den Marken lebt und als Kenner Italiens gilt.  Die Musik kommt von der italienischen Musikerin Etta Scollo, die seit den 90er-Jahren in Berlin lebt, und von der Gruppo di Musica Popolare. 

Die Friedensgala der Anstifter findet am Sonntag, 10. November, 17 Uhr im Theaterhaus statt. Karten gibt es unter 07 11 - 40 20 72 0.


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3 Kommentare verfügbar

  • Ulrich Frank
    am 02.11.2013
    Antworten
    Plazierung bzw. Verdeckung von Informationen, z.B. Verdeckung wichtiger Themen durch unwichtige (Hauptsache der Informationskanal ist mit irgendetwas gefüllt), Ausweichen auf "Nebenkriegsschauplätze" (s. Kommentar von Tillupp) sind echte Methoden der Informationsmanipulation. Man bedenke, wieviel…
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