Die deutsche Nationalhymne auf Türkisch! Mensch, das wär ein Ding! Ein Schlag ins Gesicht aller Fundamentalisten. Gut, von mir aus müssten es nicht alle Verse sein wie bei den großen Festen im Osten. Ich bin sicher – der Joseph Haydn hätte nichts dagegen, und der war Österreicher. Also nicht nur Polizisten mit Migrationshintergrund, nicht nur Cem Özdemir als Kanzlerkandidat, nicht nur Leute, die ein Reiseunternehmen mit viel Kohle haben, in die Talkrunden, sondern auch Türken wie du und ich. Etwas weniger Jutta und etwas mehr Giovanni oder Loretta oder gar Mustafa, überall in der Gesellschaft. Etwas mehr Normalos und nicht immer die gleichen Nasen bei Maybrit, Günter, Markus und Sandra. Im Grunde sind die privaten oder öffentlichen Dauergäste ja häufig rotzige Leute, die anderen die Nase putzen wollen, hätte meine Omi Glimbzsch aus Zittau gesagt. Wie recht sie hatte!
Neulich auf meinem Amt für öffentliche Ordnung saß auch so ein rumänisches Hämmerle, das man auf eine Baustelle gelockt hatte mit dem Versprechen von Ruhm und Reichtum. Vor dem Reichtum, das zeigen Untersuchungen, kommt immer erst die Armut, selten ist es umgekehrt. Umgekehrt? Das ist die Angst von unsereins, also der Mittelklasse, vor dem Absturz, dem Absturz in die Klimakatastrophe, das Schmelzen der Gletscher, noch bevor wir die Ski ausgepackt haben. Der Absturz, bei dem der Gutmensch zum Badman wird, die Angst, dass uns der Rumäne die Arbeit wegnehmen könnte bei der Müllabfuhr oder dass die Polin den deutschen Pflegemarkt erobert wie das rechtslastig-religiöse Radio Maria die Volksmassen in Polen. Klar, noch ist Polen nicht verloren, aber dort ist die Angst noch weit weiter verbreitet als bei uns. Dort wird in einem Abwasch rund um die Radiouhr gegen Türken und Kommunisten, Schwule, Neger und Juden gehetzt, was das Zeug hält. Die Polin Maria flieht vielleicht auch daher nach Deutschland. Weiß man's? Jetzt darf sie meine Mutti pflegen, unangemeldet und rund um die Uhr.
Wenn sie krank wird (die Polin, nicht meine Mutter), ist guter Rat teuer: 98 Prozent aller Rezeptbeilagen sind in mehr oder weniger gutem Deutsch gehalten, der Arzt oder Apotheker spricht auch selten Polnisch und Arabisch schon aus Sicherheitsgründen nicht. Meine Mutti könnte der Pflegekraft Maria auch nicht helfen – erstens sind die Rezeptzettel so klein gedruckt, dass Mutti eine Doppelbrille von meinem Lieblingsoptiker bräuchte, um zu übersetzen, zweitens sind sie derart unverständlich, dass man Abitur haben muss (deutsches), um die Hälfte von dem zu verstehen, und drittens gibt es derart viele Warnhinweise auf Risiken und Nebenwirkungen, dass Muttis Maria (ein wenig abergläubig), könnte sie's denn lesen und erfassen, Tabletten und Tinkturen sofort in die Kloschüssel werfen würde. Sag ich's nicht? Keinerlei Umweltbewusstsein!
Und nun singen wir gemeinsam den dritten Vers. In Polnisch.
Peter Grohmann ist Kabarettist und Gründer des Bürgerprojekts Die AnStifter.
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