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War wohl nix

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So wie der Filderdialog vorbereitet wird, wird das nix. Der ist zum Scheitern verurteilt, sagt die Unternehmerin und S21-Befürworterin Ilona Koch im Kontext-Interview.

Es soll nicht wieder zu Massenprotesten kommen, wie im Vorfeld der Bauarbeiten zu Stuttgart 21. Um zu beweisen, dass die Politik in den vergangenen Jahren gelernt hat, Bürger zu beteiligen, haben Land und Bahn den Filderdialog angesetzt. Doch so wie der Filderdialog vorbereitet wird, wird das nix. Der ist zum Scheitern verurteilt, sagt die Unternehmerin und S21-Befürworterin Ilona Koch im Kontext-Interview.

In drei Diskussionsrunden soll der Trassenverlauf der Neubaustrecke Stuttgart-Ulm auf den Fildern mit der Anbindung an den Flughafen und die Gäubahn diskutiert werden. Zur Debatte stehen neben der von der Bahn gedachten Trasse mit neuem Flughafen-Bahnhof und Nutzung der S-Bahn durch Fern- und Regionalzüge noch fünf weitere Varianten.

Etwa 160 Menschen sollen am Filderdialog teilnehmen: eine Hälfte zusammengesetzt aus Projektpartnern von Stuttgart 21 sowie aus Bürgerinitiativen und Kommunen. Die andere Hälfte sollen bei Einwohnermeldeämtern per Los ausgewählte Bürger von den Fildern sein. Um das gleich vorweg zu nehmen: Die erste Runde des Filderdialogs ist gescheitert: Im ersten Anlauf hatte die Staatsrätin für Zivilgesellschaft und Bürgerbeteiligung Gisela Erler (Grüne) 250 Bürger angeschrieben, von denen nur fünf zusagten. Daraufhin strich man die für den 25. Mai geplante erste Dialogrunde und vertagte auf den 16. Juni.

Am Ende der drei Dialogrunden (16. und 29. Juni, 7. Juli) soll es "Empfehlungen" an die Projektpartner geben, wie der Flughafen angebunden werden soll. Zu den Prämissen des Filderdialog gehört, dass der Kostendeckel des Gesamtprojekts von 4,5 Milliarden nicht überschritten wird. Das Ziel: eine möglichst breite Zustimmung in Zusammenarbeit mit Bürgern zu generieren. Das Problem: Weil letztlich doch die Projektpartner von S21 die letzte Entscheidung fällen, finden viele Stuttgarter, es handle sich eher um einen "Dialüg".

Vorbereitet wird der Filderdialog vom Bonner Moderator Ludwig Weitz gemeinsam mit der Spurgruppe. Weitz ist Religionspädagoge und arbeitet als Berater und Trainer für Menschen und Unternehmen. Die Spurgruppe ist für den Ablauf der Veranstaltung zuständig. In ihr sitzen 18 Vertreter der Projektpartner, betroffener Kommunen und Bürgerinitiativen. Auch Ilona Koch war in diese Gruppe berufen worden. Die 45-Jährige Unternehmerin ist Vorsitzende der CDU Leinfelden-Echterdingen, vertritt ihre Partei im Gemeinderat und im Kreistag. In der Spurgruppe war sie für das "Bündnis LE für Stuttgart 21". Nach vier Sitzungen der Spurgruppe hat sie den Bettel hingeworfen.

Unternehmerin Ilona Koch. Foto: Jo Röttgers

Frau Koch, warum sind Sie aus der Spurgruppe ausgestiegen?

Nach vier Sitzungen habe ich mich entschieden auszusteigen, weil ich nicht einig war mit der unprofessionellen Vorgehensweise des Moderators Weitz, mit der Arbeitsweise und auch nicht mit dem Verfahren. Ich habe meine Kritik zusammen mit meinen Kolleginnen und Kollegen in der Spurgruppe deutlich gemacht, aber es hat sich nichts geändert. Irgendwann habe ich mir dann gedacht, ich muss meine Konsequenzen ziehen. So wie der Filderdialog vorbereitet wird, wird das nix. Der ist zum Scheitern verurteilt.

Was hat Ihnen konkret gefehlt?

Zeit. Bürgerbeteiligung ist immer gut, aber ein halbes Jahr braucht man einfach zur ordentlichen Vorbereitung. Das war nicht gegeben. Zum Beispiel die Auswahl der Zufallsbürger. Wenn man 250 einlädt, melden sich davon nicht 80. Aber Herr Weitz meinte: Sie werden überrascht sein, das funktioniert. Als sich dann nur fünf Bürger gemeldet hatten, wollte er das trotzdem durchziehen. Da haben wir gesagt: Nein, wir haben jetzt so vielen Bürgern erklärt, dass sie nicht mitmachen dürfen, obwohl sie sich seit Jahren engagieren, wir machen das nicht mit nur fünf Leuten. Wir haben dann durchgesetzt, dass die erste Dialogrunde abgesagt wurde und wir diesen Termin für uns nehmen, um alles in Ruhe zu besprechen. Das war dann der vierte Termin, den ich noch frustrierter verlassen habe, als die vorangegangenen.

Was ist da passiert? 

Viele offene Fragen waren einfach nicht geklärt. Zum Beispiel hat einer gefragt, was wir machen, wenn sich wieder so wenig Bürger melden? Ob man dann nicht ernsthaft überlegen sollte, dass man den Filderdialog absagt? Aber Herr Weitz sagte: Nein, auch wenn das nur 40 sind, das wird auf jeden Fall durchgezogen. Das war typisch. Nach außen aber heißt es dann wieder: Moderator und Spurgruppe haben das festgelegt. Aber wir hatten oft gar nicht die Möglichkeit, mitzureden. Als wir am Ende sagten, wie wollten uns noch mal treffen, weil wir wissen möchten, wie viele sich da zurückmelden, hat Herr Weitz das abgelehnt, er wollte nur eine Telefonkonferenz. Das hatten wir ja schon einmal. Ich habe das strikt abgelehnt, und da meinte Herr Weitz flapsig, ich könnte ja zu ihm nach Bonn kommen.

Wieviel Einfluss sehen Sie überhaupt für die Bürger? Könnte zum Beispiel die Bahntrasse kippen?

Nein, diesen Spielraum sehe ich nicht. Ich denke, dass man auf jeden Fall Verbesserungen erzielen kann. Lärmschutz, Erschütterungsschutz. Dafür bräuchte man aber keinen Filderdialog.

Im Grunde sagen Sie, der Filderdialog sei keine Bürgerbeteiligung sondern eine Scheinveranstaltung. 

Man macht den Bürgern vor, sie hätten noch eine Chance, das Projekt Der Filderdialog ist keine Bürgerbeteiligung sondern eine Scheinveranstaltung, meint Unternehmerin Ilona Koch. Foto: Jo Röttgersumzuplanen, von vorne anzufangen. Aber das ist so nicht. Zwar hat Herr Weitz in seinem Konzept die Prämissen klar formuliert. Aber in der Zeitung lesen die Bürger, der Verkehrsminister Winfried Herrmann (Grüne) freue sich auf jede gute Idee und er werde die weiterleiten. So wird den Bürgern natürlich vermittelt, da geht noch was. Diejenigen, die noch Hoffnung haben, Stuttgart 21 zu verhindern, die klammern sich an den letzten Strohhalm und für die ist so eine Aussage von Herrn Hermann ganz wesentlich, die hinterfragen nicht: Gibt das der Vertrag überhaupt her? Ist das realistisch?

Was wäre denn eine glaubhafte, ernste Bürgerbeteiligung für die Trasse auf den Fildern?

Die glaubhafteste Bürgerbeteiligung wäre eine öffentliche Informationsveranstaltung zu machen mit Aussprache, mit Frage- und Antwortmöglichkeit. Da könnten alle kommen, die Interesse haben. Das wäre für mich die Form der Bürgerbeteiligung, die bei dem Stand des Verfahrens in dem Projekt noch gehen würde. Der Filderdialog kommt einfach zu spät.

Warum haben sie überhaupt teilgenommen?

Für mich ging es darum: Ich lebe hier und ich will nicht, dass die Leute nach dem Filderdialog zu mir sagen: Ich opfere hier drei Samstage - da hättest Du mir auch sagen können, dass das nix bringt. 

Gisela Erler hat nun 4500 Briefe an zufällig ausgewählte Bürger verschickt. Mit ungewissem Ausgang.


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1 Kommentar verfügbar

  • goddeambach
    am 06.06.2012
    Antworten
    Herr Kretschmann wird in die Geschichte eingehen, als der erste Landesvater, dem es gelungen ist, die chaotische Basisdemokratie der Grünen zur zukunftstauglichen Roulette-Demokratie weiterzuentwickeln; seine Staatsrätin wird in den Olymp aufsteigen, als Fortuna, die Zufallsgöttin, die das Wort an…
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