Der sogenannte Schneedienst wird nicht wöchentlich, sondern meist täglich an den Nachbarn weitergegeben – damit jeder mal geschippt hat, wenn es doch nur zwei Wochen lang schneit. Der Schneedienst beginnt per Gesetz gegen sechs Uhr morgens und endet um 22 Uhr mit Beginn der Nachtruhe, dann also, wenn das Scharren und Schaben der Schippe zur Ruhestörung wird. In der Zeit dazwischen sei dem Kehrwöchner geraten, den Schneefall im Auge zu behalten. Sollte nämlich ein Passant auf dem nicht ordnungsgemäß geräumten Gehsteig ausrutschen, trägt der Kehrwöchner die Verantwortung für verstauchte Knöchel und gebrochenen Haxen. Nach Ende des Schneefalls verschwindet das Schneedienstschild in der Versenkung und taucht zum kommenden Winteranfang wieder auf – an der Tür desjenigen, der im vergangenen Winter als Nächstes drangewesen wäre.
Eigentlich gilt Herzog Eberhard im Bart als Erfinder
Wann genau die Kehrwoche erfunden wurde und wer sie erfunden hat, ist heute nicht mehr nachzuvollziehen. Bisher musste jedenfalls häufig Württembergs Herzog Eberhard im Bart als Urheber herhalten. Der lebte von 1445 bis 1496. Eberhard hat eine rassige Italienerin geheiratet, von Kaiser Maximilian den Orden zum Goldenen Vlies und von Papst Sixtus IV die Goldene Rose verliehen bekommen. Alles in allem also ein patenter Kerl, der kurz bevor er starb beschloss, sein Stuttgart, in dessen Straßen sich Pferdeäpfel, Kuhfladen, das Blut der Aderlässe zu einer unsagbar stinkenden Brühe vermischten, in einen sauberen Garten Eden zu verwandeln. 1492 verfügte er also per Erlass Folgendes: "Damit die Stadt rein erhalten wird, soll jeder seinen Mist alle Woche hinausführen, jeder seinen Winkel alle 14 Tage, doch nur bei Nacht, räumen und an der Straße nie einen anlegen. Wer kein Sprechhaus [...] hat, muss den Unrat jede Nacht in den Bach tragen."
Die Stuttgarter allerdings waren nur wenig interessiert an der Idee, dauernd zu fegen und Unrat zu tragen. Was zur Folge hatte, das Stuttgart weiter stank und Eberhard im Bart an Fieber und bakterienbedingter Roter Ruhr starb.
In Stuttgart türmte sich also weiterhin "saumäßig" stinkender Morast. Und dazwischen rafften die Pest, Pocken, Typhus und Blattern die nicht kehrende Bevölkerung dahin. Die Pest verschwand im 18. Jahrhundert, der Stuttgarter Dreck erst im neunzehnten.
Richtig sauber wurden die Schwaben erst ab 1811
Einen Gesinnungswandel, der die Schwaben auf Jahrhunderte zur reinlichsten Spezies der westlichen Hemisphäre machen sollte, ereignete sich nach bisherigem Forschungsstand erst mit der Herzoglichen Gassensäuberungsordnung vom 6. August 1811. "Es muß jeden Tag, den Sonntag ausgenommen, vom ersten April bis letzten September, des Morgens von fünf bis sieben Uhr, in den Monaten Oktober bis März aber von acht bis neun Uhr morgens gekehrt werden, bei einem Gulden Strafe. (...) Sollte die Polizei ein außerordentliches Kehren für nötig finden, so hat jeder demselben sich sogleich zu unterziehen."
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Martha
am 28.01.2014