Herr Peymann, Sie gelten als Kronzeuge für die Liberalität Manfred Rommels. In den Nachrufen zu seinem Tod fällt immer wieder das Stichwort Zahnersatz und der Name Claus Peymann. Was war Ihr erster Gedanke, als Sie vom Tod des langjährigen Stuttgarter OBs erfahren haben?
Ich dachte spontan: Was für ein Verlust! – Was haben wir zusammen erlebt. Der kalte und schreckliche "deutsche Herbst" 1977 wurde wieder lebendig. Mein Herz war voll Trauer. Spontan: Gern hätte ich ihm an seinem Sarg für seinen Mut gedankt, erzählt davon, was der politische Zeitgeist heute nicht mehr kennt.
Bei der Trauerfeier in der Stiftskirche am Donnerstag haben Sie jedoch nicht geredet. Wollte man Sie nicht?
Das müssen Sie in Stuttgart nachfragen. Ich hatte in der Tat ums Wort gebeten. Aber ich wurde abgelehnt – keine Ahnung von wem. Ich hätte es schön gefunden, wenn sich in den getragenen Politikerton etwas anderes eingemischt hätte, aber die wollten wohl unter sich bleiben. Keine Störung durch einen Künstler! Schade für Rommel. Wollte man keinen Kronzeugen für den liberalen Rommel? Wollte man nicht eine Zeit hochholen, die so wichtig war für die politische Haltung von Rommel, nämlich die 70er-Jahre, den "deutschen Herbst", in dem alle in diesem Land verrückt geworden waren? Manfred Rommel hat damals die Nerven behalten. Er demonstrierte, dass Humanität und Liberalität möglich sind, in einer hasserfüllten und in Panik geratenen politischen Oberschicht.
Der CDU-Mann als Liberaler, der einen kühlen Kopf bewahrte. Hat Sie das überrascht, als Sie 1974 nach Stuttgart kamen?
Ich wollte eigentlich nicht nach Stuttgart. Doch der Intendant Hans Peter Doll hat mich überredet, und so verhandelte ich noch mit dem parteilosen OB Arnulf Klett, ein großer Liberaler. Und kaum war der Vertrag unterschrieben, verstarb Klett. Bei meinem nächsten Besuch in Stuttgart war die Stadt plötzlich übersät mit Kinoplakaten: " Die Schlacht um El Alamein", "Rommel, der Wüstenfuchs", "Tobruk". Sein Sohn Manfred Rommel wurde OB-Kandidat der CDU. Der große Schatten des Papas wurde beschworen, damit die Stadt in die Hand der konservativen CDU fällt. Und tatsächlich wurde Rommel gewählt, und ich dachte: Mein Gott, was soll das werden?
Da hat Sie die Angst vor dem neuen OB Rommel gepackt?
Ja, natürlich. Ich habe kurz erwogen, nicht hinzugehen in eine Stadt, deren Oberbürgermeister der Sohn dieses berühmten Militaristen ist. Dann für mich das größte Wunder: Der Sohn entsprach so gar nicht meinem linken Klischee vom kleinen Sohn des großen Generals, dem Bild, das ich von seinem Vater hatte, dem berühmten Panzergeneral Hitlers. Der neue Oberbürgermeister zeigte sich dagegen als ein manchmal bedächtiger, zugleich aber blitzgescheiter Politiker, der neugierig war, auch auf den Dialog mit der Kunst. Er war ein Vermittler während dieser unruhigen Stuttgarter Jahre, als sich der Stammheimer Prozess wie ein großer Schatten über das Land, die Stadt und über mein Theater legte, diese Stammheimer Festung, die bewacht wurde wie der Goldschatz der amerikanischen Regierung.
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A. Gramsci
am 18.11.2013Wird irgendeine politische Eigenschaft mit einem der drei assoziiert? Nein - "landesväterlich" ist…