Als Marion Ackermann, bis 2009 Direktorin des Kunstmuseums Stuttgart und heute Direktorin der Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen in Düsseldorf, "Die schwarzen Männer" im Depot des Kunstmuseums entdeckte, reservierte sie Sohns Gemälde einen Platz in der Dauerausstellung – die freilich immer wieder einmal umgehängt wird. Auch im Esslinger Landratsamt war das Bild einmal ausgestellt. Zu sehen sind vier Gestalten in Schwarz, den Hut auf dem Totenschädel, die Hakenkreuzbinde am Oberarm, mit verschiedenen Attributen: Ein Blumenstrauß bezeichnet den Schöngeist, ein Koffer den Arzt, die Tasche eines Zeitungs-Austrägers die Presse. Das 1934 entstandene Bild trägt den Untertitel: "Die Ratten verlassen das Schiff": eine scharfe Kritik an den Mitläufern, die ihre Überzeugungen in den Wind schreiben und zu willfährigen Dienern des Systems werden.
"Hier in Esslingen da gab's ein israelitisches Waisenhaus", gibt Hermann Sohn 1968 an seinem 75. Geburtstag zu Protokoll – es handelt sich um das heutige Theodor-Rothschild-Haus, heute Sitz der Esslinger Stiftung Jugendhilfe aktiv. "Und ich bin geholt worden, von einem Malermeister, wegen Farbbestimmungen, in dieser Kaserne oben, in der Becelaere-Kaserne. Und wir fahren da die Mühlbergerstraße 'nauf, die Panoramastraße, und kommen an dieses Waisenhaus hin. Da ist vorne ein großer Hof gewesen. Man ist da die Staffeln raufgegangen. Und da seh' ich, wie da die Kinder rausspringen und schreien: 'mordio!' und rennen und tun und machen. Und dann spring' ich rein in den Hof, ein großer Schulhof, spring' ich rein, und jetzt schmeißen sie oben durch die Fenster Fahnen, israelitische Fahnen, und alles mögliche zum Fenster raus, und Bücher und was weiß ich. Also da ging's drunter und drüber." "Das war die SA!", lässt sich auf der Tonbandaufzeichnung eine andere Stimme vernehmen. Sohn weiter: "Und ich steh' in dem Hof, und ich schrei', was ich aus dem Hals rausbring': 'Polizei! Polizei! Wo ist denn die Polizei! Polizei!' Und dann rennt einer von den Kerle auf mich zu und sagt: 'Kerle, wenn du jetzt net deine Gosch hältst, und gleich verschwindest, dann schlag' ich dir den Schädel ein!' Jetzt ist das die Zeit gewesen der Kristallnacht. Auf dies hin ist die Kristallnacht gekommen. Und die Kinder sind alle dem Wald zugerannt, dem Schurwald zugerannt, und auch der Leiter von diesem israelitischen Waisenhaus. Das habe ich natürlich nicht gewusst. Und ich bin heim und nehme meine Leinwand und habe dieses Bild gemalt. Das ist die 'Krystallnacht': fünfarmiger Leuchter hinten und dann der Judenstern. Das hätt' ich dürfen niemand zeigen. Das hab' ich versteckt gehabt."
Das Bild bleibt bis heute versteckt. Wie die Erben <link http: www.sohnde.de titelseite.html _blank>auf einer dem Künstler gewidmeten Internet-Seite schreiben, habe "die Stadt Esslingen nie Interesse am Erwerb eines solchen Zeitdokuments gezeigt".
6 Kommentare verfügbar
maguscarolus
am 22.11.2013Das ist exakt das deutsche Problem: "Schaffe, net schwätze!" – und alles ist recht, was den wirtschaftlichen Erfolg der Schafferei sichert.
Unter den Nazis wurden Idealismus und Opferbereitschaft insbesondere der jungen Deutschen so grauenhaft pervertiert und missbraucht, dass…