Das grüne Staatsministerium hat nun nicht etwa durch Offenlegung dieser brisanten Unterlagen für Transparenz gesorgt, sondern die Einsicht verweigert mit der Begründung, die Bahn sei damit nicht einverstanden, und es bestehe kein überwiegendes öffentliches Interesse an der Aufklärung. Diese Blockade hat ihm der Verwaltungsgerichtshof jetzt – wie auch hinsichtlich der übrigen Unterlagen – um die Ohren gehauen mit dem Hinweis darauf, dass sich die neue Landesregierung laut der Regierungserklärung des Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann ausdrücklich mit Bezugnahme auf das Bahnprojekt einer "Politik des Gehörtwerdens" verschrieben habe. Und der Verwaltungsgerichtshof vergisst auch nicht den Hinweis auf den damaligen SPD-Landeschef Nils Schmid, der Mappus vorgeworfen habe, "dieser wolle den Konflikt durch eine Kriminalisierung der Gegner des Bahnprojekts (insbesondere der sogenannten Baumbesetzer) zuspitzen".
"Politik des Gehörtwerdens" funktioniert nur mit offenen Ohren
Das ist eine schallende Ohrfeige für das jetzige Mauern des Staatsministeriums unter der Verantwortung des grünen Ministerpräsidenten. Eine schallende Ohrfeige aber auch für die Kommunikationsstrategie der Bahn, die verheimlicht werden sollte. Das Gericht spricht insoweit von einer "(Krisen)kommunikation". Und der Verwaltungsgerichtshof verweist auch darauf, dass interne Kritik an Polizeieinsätzen behindert werden kann, wenn ein Polizeibeamter, der sich kritisch äußert, befürchten muss, dafür ein Disziplinarverfahren einzufangen. Genau darum geht es bei den Unterlagen <link http: www.taz.de external-link-new-window>hinsichtlich des Polizeigewerkschaftlers Thomas Mohr. Ausgerechnet dessen Einschüchterung nach dem "Schwarzen Donnerstag" sollte jetzt noch vertuscht werden.
Dieses bemerkenswerte Urteil stärkt die Bürgerrechte außerordentlich und übernimmt europäische Maßstäbe für das Ländle. Allerdings ist es noch nicht rechtskräftig. Das bedeutet, dass das Land – also dessen grün-schwarze Regierung, aber auch die Deutsche Bahn AG, die als Beigeladener am Prozess beteiligt war, in Revision gehen können. Die Frist dafür läuft noch bis Mitte August.
Bei alledem fragt man sich natürlich, weswegen Kretschmanns Regierungszentrale sich seit nunmehr viereinhalb Jahren bemüßigt fühlt, die Aufklärung des bald sieben Jahre zurückliegenden Verhaltens der ehemals schwarzen Regierungsspitze mit allen Mitteln zu behindern. Das klärt sich vielleicht, wenn es endlich möglich sein wird, Einblick in das zu nehmen, was mit Klauen und Zähnen als geheim verteidigt wird. Vielleicht müsste man zum Schlagwort der "Politik des Gehörtwerdens" noch hinzufügen, dass diese nur mit offenen Ohren funktioniert. Denn wenn die eine Seite taub ist, nützt es nichts, wenn die andere noch so laut schreit.
Zum Schluss noch etwas Nettes: Der Verwaltungsgerichtshof belehrt in seinem Urteil die beigeladene Deutsche Bahn AG darüber, dass sie keinen Anspruch auf Gleichgewicht der Kommunikation zwischen ihr und den Projektgegnern habe, weil "die Projektgegner selbst nicht zum Kreis der informationspflichtigen Behörden" gehören.
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Jue.So Jürgen Sojka
am 01.01.2021PM des VGH Mannheim Az. 10 S 436/15 mit neuer Internetadresse https://verwaltungsgerichtshof-baden-wuerttemberg.justiz-bw.de/pb/,Lde/5005069/?LISTPAGE=5004767
SWR 15.12.2020 Richterauswahl:…