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Garküche Newsroom

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Der Fachmann staunt, der Laie wundert sich: Während in Esslingen und Ludwigsburg mit jeweils etwa 30 Redakteuren sechsmal die Woche eine passable Zeitung gemacht wird, sitzen bei der "Stuttgarter Zeitung" in Möhringen allein 38 Redakteure im sogenannten Newsroom und planen das Blatt.

Seit Januar 2008 ist die Welt im Stuttgarter Pressehaus eine andere. Mit dem neuen Chef Richard Rebmann kamen auch zwei neue Chefredakteure, die bei "Zeitung" (StZ) und "Nachrichten" (StN) alles mögliche auf den Kopf stellen durften und sollten: Ohne Not, denn dem Unternehmen ging es gut, wurden das optische Erscheinungsbild "relaunched" und die Seitenfolge verändert, die Unfänge reduziert und vor allem wurde die Arbeitsweise "modernisiert".

Newsroom hieß das Zauberwort der Branche seit Ende der Neunziger. Die Arbeitsweise des Boulevards hielt Einzug bei der Tagespresse, bei der traditionell die einzelnen Ressorts ihre Seiten im stillen Kämmerlein produzierten, aber auch in eigener Verantwortung. Im Newsroom sitzt dagegen aus jedem Ressort einer am großen, runden Tisch und fertigt dort seine Seiten. Der Vorteil des "Alle an einem Tisch"-Verfahrens: Die Nachrichtenlage im Newsroom ist jederzeit aktuell, die Kommunikation aller Beteiligten ist ideal.

Doch wenn zwei das Gleiche tun (sollen), kommt nicht dasselbe dabei raus. Christoph Grote, der schon Chefredakteur bei der boulevardnahen "Neuen Presse" in Hannover war, baute bei den StN zügig einen kleinen, ziemlich effektiv arbeitenden Newsroom auf, dessen Vorteile auch die anfangs misstrauische Belegschaft schnell überzeugten. Auch unter Grotes Nachfolger Christoph Reisinger sitzen im StN-Newsroom selten mehr als zehn Redakteure und sorgen dafür, dass ein Rädchen ins andere greift. Die mehr als 60 übrigen Redakteure können sich derweil auf ihr eigentliches Geschäft konzentrieren. 

Ein Stockwerk tiefer im Möhringer Pressehaus machte sich zum selben Zeitpunkt der vom "Handelsblatt" gekommene Joachim Dorfs ans Werk. Mit allerdings sehr viel weniger Überzeugungskraft als Grote, denn zum einen brachte Dorfs zwar Newsroom- aber keine Erfahrung im Regionalzeitungsgeschäft mit. Zum anderen wehrten sich die Ressorts gegen die neue Arbeitsweise mit Zähnen und Klauen. Dorfs gab nach und heraus kamen: Kompromisse, nochmals Kompromisse und am Ende Deutschlands größter Newsroom. 38 Redakteure bekamen dort einen Stammplatz, freilich fand sich kein Tisch, der groß genug war. So ist im Newsroom der StZ weder die Nachrichtenlage jederzeit aktuell noch die Kommunikation ideal. In Frage gestellt wurde das Verfahren seither dennoch nie. Jedenfalls nicht in Stuttgart. In Düsseldorf schon: Das "Handelsblatt" hat als erste Zeitung seinen Newsroom wieder aufgelöst. Und so wird unser nachfolgender Augenzeugenbericht neben dem Fachmann auch den Laien zum Kopfschütteln bringen.

Raum für Neuigkeiten

Wenn es stimmt, dass zu viele Köche den Brei verderben, dann lässt sich Ähnliches auch für Journalisten sagen: zumindest wenn zu viele davon auf zu wenig Raum versuchen, die Produktion einer Tageszeitung zu bewerkstelligen.

Die Garküche, in der bei der "Stuttgarter Zeitung" der tägliche Nachrichteneintopf zusammengerührt wird, nennt sich Newsroom. Würden die Insassen desselben über vergleichbare Arbeitsbedingungen in anderen Branchen berichten, die Beschreibung fiele alles andere als schmeichelhaft aus.

Der Raum im zweiten Stock des südöstlichen Traktes des Pressehauses kann es an Schmuck- und Trostlosigkeit spielend mit dem Äußeren des Bürogebäudes in Möhringen aufnehmen. Zweckmäßig wäre wohl der passende Euphemismus. In der Abgeschiedenheit des Möhringer Waldrandgrundstücks fallen die einsamen Entscheidungen, was von Belang, was richtig und was falsch sein könnte.

Doch bei der Zeitung, die etwas auf sich hält und bei der Journalisten alter Prägung das Sagen haben, kommt es ja angeblich nicht auf die Verpackung, sondern allein auf den Inhalt an. Da ließe sich das niederschmetternde Interieur verschmerzen, wenn die sich darin abspielenden Abläufe der Sache dienlich wären.

Über die Frage, ob dies auf den Newsroom der StZ zutrifft, darf man zumindest geteilter Meinung sein. Der Vormittag und auch der Übergang zum frühen Nachmittag steht im Zeichen dessen, was bisweilen als willkommene Alternative zu ernsthafter Arbeit gilt: der Besprechung.

Ehe sich Vertreter ausgewählter Ressorts um 9.45 Uhr um den Chef scharen, haben sie 45 Minuten Zeit, die Konkurrenz zu sichten, erste koordinierende Telefonate zu führen und ein eigens für das Pressehaus geschaffenes Online-Planungsinstrument auszufüllen. Was da für jeden, den es interessieren könnte, nachlesbar drinsteht, spricht die 9.45-Uhr-Runde durch, um erste Themenschwerpunkte des Tages zu identifizieren. Das Onlineressort darf derweil verkünden, was während des morgendlichen Besucherhöhepunkts auf den Internetseiten der StZ "besonders gut geklickt" wurde. Das Netz weiß genau, was Leser wünschen.

Daran schließen sich die morgendlichen Konferenzen in den einzelnen Ressorts an, der Newsroom leert sich dazu das letzte Mal bis zum noch fernen Abend. Um 10.30 Uhr ist aber wieder alles da, was Rang und Namen hat. Die große Konferenz tritt zusammen. In einer mal kürzeren, mal längeren, mal müden Blattkritik wird erörtert, was besser und/oder anders gemacht hätte werden können. Dann, man ahnt es bereits, rücken abermals die Themen der aktuellen Produktion in den Fokus. Für jene, die schon vorher dabei waren, ist es der dritte Aufguss binnen einer knappen Stunde. Auf diese Weise gerät schon nichts in Vergessenheit.

Nach dem Vortragen der Themen werden erste Mutmaßungen darüber angestellt, "was nach vorne drängt", was sich also kleiner oder größer auf der Titelseite wiederfinden wird. Voreilige Entscheidungen sollten aber auf keinen Fall getroffen werden, schon allein, um nicht die 14-Uhr-Konferenz an gleicher Stelle in ihrer Existenz zu gefährden. Bei dieser Runde wird dann abgeglichen, was von den morgendlichen Absichtserklärungen übrig geblieben ist oder was im Zweifel der unvorhersehbaren Aktualität hat weichen müssen.

Was sich daran anschließt, ist der eindrucksvolle Beweis für die These, dass ein Newsroom dabei hilft, nahezu alle Ressorts möglichst immer auf demselben Wissensstand über die aktuelle Lage zu halten. Denn wenn die knapp 50 Arbeitsplätze in dem etwa 40 auf 40 Meter großen Raum besetzt sind, ist im Vergleich dazu der Charlottenplatz im Berufsverkehr ein lauschiges Plätzchen. Ungewollt ist man stets auf dem Laufenden darüber, was die Nachbarschaft so tut. Die Produktionsteams der einzelnen Ressorts besprechen Texte, Grafiken und Bilder mit Autoren und Fotografen, halten den Kontakt zu Korrespondenten, Außenredaktionen und freien Mitarbeitern.

Wer in dieser Lage einen Text zu redigieren versucht, hält sich entweder die Ohren zu oder hilft sich mit Ohrstöpseln. Den vor ihm schellenden Telefonapparat hört er dann natürlich erst mal nicht.

Eine Ausnahme von diesem alltäglichen Ritual bilden lediglich der Mittwoch und der Samstag. Mittwochs gibt's um 14.30 Uhr noch eine zusätzliche Wochenkonferenz. Samstags wird nicht gearbeitet.


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6 Kommentare verfügbar

  • Martha
    am 31.10.2013
    Antworten
    In einem Großraumbüro zu arbeiten wird sicher auch nicht angenehmer dadurch, dass es "Newsroom" genannt wird.
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