Eigentlich wollte Antonietta F. einmal Richterin werden. Die Frau mit italienischen Wurzeln hat sich dann doch für den Erzieherinnenberuf entschieden. Nun wird die ehemalige Leiterin des deutsch-italienischen Kindergartens demnächst selbst vor dem Kadi stehen, ohne Anwalt, denn dafür gibt die schmale Haushaltskasse der Witwe mit ihren drei Kindern das Geld nicht her. Den Strafbefehl über 400 Euro akzeptieren will die 50-Jährige auf keinen Fall. "Ich habe nichts Strafbares getan", sagt Antonietta F.
Am Nachmittag des 3. November 2012 war Antonietta F. in den Rosensteinpark aufgebrochen, um, wie sie sagt, "mit meiner Aktion mit den Menschen ins Gespräch zu kommen und auf die Stadtzerstörung durch das Unsinnsprojekt S 21 hinzuweisen". Bestückt mit einem Eimer Kalkfarbe kennzeichnete die S-21-Gegnerin 63 Bäume mit einem weißen Totenkreuz. Sie diskutierte mit Spaziergängern und Passanten, "die oftmals nicht wussten, dass auch am Rosensteinpark für S 21 Bäume fallen sollen". Sie diskutierte auch mit den zwei Polizisten, die bald kamen, um ihre Personalien aufzunehmen. Zum Prozess am 12.2. im Amtsgericht Bad Cannstatt sind diese Beamten als Zeugen geladen.
Antonietta F. wird "gemeinschädliche Sachbeschädigung" vorgeworfen in Zusammenwirken mit Rüdiger N. und weiteren nicht ermittelten Personen. Das liest sich im schönsten Juristendeutsch im Strafbefehl dann so: "Die Angeklagte versah ... im Rosensteinpark im Bereich zwischen dem Schloss Rosenstein, der Wilhelma und der Neckartalstraße mehrere Bäume mittels weißer Farbe ... jeweils mit einem Kreuz in der Größe zwischen 30 x 50 cm und 50 x 70 cm und in einer Strichbreite von ungefähr 8 cm ... Eine solche Anbringung von Farbe auf die oberste Rindenschicht ist zwar für den Baum nicht schädlich, jedoch wurde dadurch das Erscheinungsbild des Teilbereichs Rosensteinpark, bei dem es sich um eine historische Parkanlage handelt, die der Erholung der Bevölkerung dient, erheblich verändert."
Erhebliche Veränderungen im Erscheinungsbild wird es in der Tat geben, vor allem jedoch mit dem Fortschreiten der Bauarbeiten für Stuttgart 21. Das zeigt schon die Schlammwüste im Mittleren Schlossgarten, wo bereits vor zwei Jahren 170 Bäume dem Milliardenprojekt der Bahn weichen mussten. Wovor Antonietta F. mit ihrer symbolischen Aktion warnen wollte, ist nun Wirklichkeit geworden: Im Rosensteinpark will die Bahn in der sogenannten vegetationsfreien Zeit bis Ende Februar 2014 insgesamt 110 Bäume fällen. Man fühlt sich an Bertolt Brechts "Dreigroschenoper" erinnert, die Sache mit dem Einbruch und der Gründung einer Bank, und möchte fragen: Was ist das Bemalen eines Baumes gegen das Fällen eines Baumes?
51 Kommentare verfügbar
Klaus Neumann
am 20.02.2014"Klaus Neumann, 10.02.2014 02:29 Sie schreiben:, 11.02.2014 10:27
"Ich denke aber es wird in diesem Fall eher zu einer Einstellung des Verfahrens statt eines Freispruchs kommen, so dass Antonietta auf ihren Anwaltskosten sitzen bleibt "
Nun steht aber im…