Die Palantir-Aktie im Höhenflug, Friedrich Merz' Blackrock-Vergangenheit oder die Karriere von Adolf Heusinger, der als Oberst der Wehrmacht in den späten 1930ern den deutschen Überfall auf Polen mit plante und dann ab den frühen 1960er Jahren dem Militärausschuss der Nato vorsaß: In einem improvisierten Text listet Rapper Toba Borke Schweinerein auf, die ihm in den Massenmedien zu selten vorkommen. Borke will auch wissen, wie viele von den "Nacktaffen" auf dem Stuttgarter Schlossplatz dem Hip Hop zugeneigt sind. Nur vereinzelt heben sich Hände, ein großer Teil der Anwesenden ist Generation Friedenskette und denkt bei Begleitmusik zum Protest eher an "We shall overcome" oder "Blowin' in the wind". In einem Meer aus Fahnen, Transparenten und Plakaten ist zum Beispiel ein Schild mit dem Logo des MLPD-Jugendverbands Rebell zu sehen, Aufschrift: "Arbeiter schießen nicht auf Arbeiter!" Getragen wird es nicht von einem Jungspund, sondern von einem schneeweiß behaarten Spätsemester.
Dennoch erntet Borke viel Applaus und mit Blick in die Menge fällt auf: Zumindest in Stuttgart hat sich der Ostermarsch im Vergleich zu den Vorjahren deutlich verjüngt. Ein heterogenes Spektrum kommt zusammen, auf dem Schlossplatz wehen Flaggen mit Regenbogen und Friedenstaube, mit IG-Metall- oder Verdi-Logo. Pax Christi und der VVN-BDA sind präsent, ebenso die Parteien Die Linke und das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW), letzteres mit einem Großplakat: "1914 wie 2025: NEIN zu Kriegskrediten!" Die häufigste Flagge ist die palästinensische und wohl auch die, die den großen Zulauf unterhalb des Rentenalters erklärt.
"Die Ostermarsch-Bewegung ist kein Relikt vergangener Zeit", ruft Moderatorin Heike Hänsel (früher Die Linke, heute BSW). Sie freut sich über den Zulauf, nach Angaben der Veranstalter waren es im Vorjahr etwa 2.000 Menschen und diesmal 4.500 Menschen, die sich dem Ostermarsch in Stuttgart angeschlossen haben. Das mache Mut, sagt Hänsel, denn es brauche ein Gegengewicht, da gerade "eine geistige Mobilmachung nie dagewesenen Ausmaßes durchs Land" ziehe. Zum Beispiel habe sie in einer Tübinger Bäckerei gesehen, wie Zuckerhasen auf Zuckerpanzer gesetzt wurden und das empfindet sie als "Pervertierung der osterlichen Friedensbotschaft". In der Hinsicht lobte sie noch Papst Franziskus, der zwei Tage später sterben sollte und in seiner letzten Rede, dem Ostersegen, mahnte: "Es kann keinen Frieden geben ohne echte Abrüstung! Der Anspruch eines jeden Volkes, für seine eigene Verteidigung zu sorgen, darf nicht zu einem allgemeinen Wettrüsten führen."
Kapital, Krieg und Wolken
So divers wie das Publikum sind auch die Redebeiträge auf der Bühne. Der erste kommt vom Offenen Treffen gegen Krieg und Militarisierung (OTKM), eine junge Aktivistin, die sich nicht namentlich vorstellt, trägt vor: "Krieg ist kein Zufall – er hat System. Kriege brechen nicht einfach aus. Sie werden geplant – in den Vorstandsetagen der größten Konzerne, in Lobbyistenbüros, in den Kriegsministerien, in den Denkfabriken des Kapitals." Der Kapitalismus trage den Krieg in sich wie die Wolke den Regen, irgendwann würden Konkurrenz und Widersprüche zu groß, "und dann wird geschossen", ob im Kongo, der Ukraine, an den europäischen Außengrenzen oder beim "brutalen Völkermord" in Gaza. Die großen Parteien hätten gezeigt, dass sie keine Perspektive kennen außer Aufrüstung, das OTKM hat eine andere, nämlich den Sozialismus. Daher werden sie "whatever it takes" den deutschen Imperialismus angreifen. (Die ganze Rede hier.)
8 Kommentare verfügbar
Claudia Heruday
vor 6 Tagenhttps://www.zdf.de/dokus/wie-kriege-enden---und-frieden-moeglich-ist-movie-100
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