Anfang Juli 2013: noch drei Wochen bis zur Buchveröffentlichung. Heute Abend wird Meike Büttner nicht mehr alleinerziehend sein. Sie und ihre Tochter Laura – zehnjährig, brünett, mit pfiffig-rundem Gesichtchen – ziehen gerade mit ihrem Lebensgefährten zusammen. Seit einem Jahr sind sie ein Paar. Von einer kleinen Altbauwohnung in Berlin-Neukölln geht es nun in eine andere, nicht viel größere Altbauwohnung, die ebenfalls in Neukölln liegt – dem Bezirk in der Hauptstadt, in dem die Mieten noch erschwinglich sind, der aber bereits eine kreuzbergähnliche Szene kennt, mit veganen Läden, urbanen Gärten am Rollfeld des stillgelegten Flughafens Tempelhof, mit improvisierten Straßencafés in Bürgerhausbaracken. In einem dieser Cafés pausiert die 31-jährige Autorin jetzt mit lang ausgestreckten Beinen, erholt sich vom Kistenpacken und Ausrangierte-Dinge-Verschenken. Ein kleiner Junge rumpelt mit dem Bobbycar über die schattige Straße, kurz drauf ein Kleinlaster, der einen faustgroßen Pflasterstein aus dem Boden reißt.
Meike Büttner und ihre Laura, das war einmal einfach eine von 1,6 Millionen Einelternfamilien. Fast jede dritte Familie in Berlin ist alleinerziehend, in ganz Deutschland jede fünfte, die meisten bleiben es fünf Jahre lang. Manche sind arm, wenige reich, einige teilen ihre Probleme miteinander, andere Alleinerziehende sind weitgehend sorgenfrei oder ziehen stillschweigend ihr Ding durch. Nicht so Büttner. Sie braust auf, und zwar regelmäßig, in der Regel virtuell. "Meinen ersten Blog-Eintrag habe ich geschrieben, nachdem ich diese Sarrazin-Schote gelesen hatte: 'Deutschland schafft sich ab'", erzählt sie, "Sarrazin schimpfte da nicht nur auf die bösen Einwanderer, sondern auch auf alleinerziehende Frauen, machte sie für Unterschichtgeburten und Bildungsferne verantwortlich." Das Problem in Büttners Augen war nicht, was der Autor schrieb – "diese Meinung über Alleinerziehende haben viele". Das Problem war, dass er es war, der es sagte: ein Politiker. Einer, der in ihren Augen Verantwortung tragen sollte – und sie mit seinem Buch einfach auf diejenigen abwälzte, die ohnehin schon viel zu viel davon haben. "Ich konnte einfach nicht fassen, wie meine Interessengruppe da stigmatisiert wurde." Plötzlich war ein "Wir", eine Gruppe da.
Bloggen gegen Ohnmacht und Hilflosigkeit
Das Schreiben tat gut. "Jeder Buchstabe ein Befreiungsschlag", sagt sie selbst. Büttner bloggte gegen das Eingesperrtsein an, das sie fühlte, als sie noch nicht in Berlin, sondern in Bochum lebte, gemeinsam mit dem Vater ihrer Babytochter, die ungeplant in ihr zwanzig Jahre altes Leben geplatzt war. Als junge Kreative in einer Hausfrauenrolle, die sie nicht haben wollte, in einer sterilen Neubauwohnung, die die Schwiegerfamilie ausgesucht hatte, mit einem Partner, der tagsüber arbeiten und abends feiern ging, vom Vatersein mit Haut und Haaren aber bis heute überfordert scheint. Meike Büttner war jung, unemanzipiert von ihrer Familie und fühlte sich ohnmächtig. Hatte wirre Gedanken, bekam Psychopharmaka. Dann ein Rechtsstreit mit ihrer Mutter, die das Sorgerecht für Laura haben wollte und sie einfach bei sich behielt, bis die Richter nach langer, langer Trennung endlich dagegen entschieden. "Ich glaube, dass meine Geschichte schon ziemlich extrem war, zum Glück nicht exemplarisch für die Trennungsgeschichten der meisten Alleinerziehenden", sagt die Autorin. Trotzdem: Die Geschichten scheinen sich zu wiederholen. Viele Frauen, die Büttner über ihr Blog und ihre Facebook-Seite "Alleinerziehende suchen/bieten" anschreiben, haben Angst, das Sorgerecht für ihre Kinder zu verlieren. Viele streiten sich mit den Expartnern um Umgangsregeln oder Unterhalt.
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Daniel
am 29.08.2013