KONTEXT:Wochenzeitung
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Fernglas oder Lupe

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Irgendwo da unten, womöglich ziemlich tief auf dem Grund eines Sees, vermuten wir ein dunkles Geheimnis. Weil uns vielleicht irgendwelche Menschen davon erzählt haben oder wir von selbst darauf gestoßen sind. Bevor wir darüber reden oder schreiben, sollten wir Journalisten diesem Geheimnis erst einmal auf den Grund gehen. Nichts geht ohne Recherche.

Recherche ist mehr als nur der gelegentliche Griff zum Telefon oder zum Fernglas. Es braucht eine Lupe. Sie macht jedoch nur dann Sinn, wenn wir nah genug an den Dingen sind.

Irgendwo da unten, womöglich ziemlich tief auf dem Grund eines Sees, vermuten wir ein dunkles Geheimnis. Weil uns vielleicht freundliche Menschen davon erzählt haben oder wir irgendwie von selbst darauf gestoßen sind. Bevor wir darüber reden oder schreiben, sollten wir Journalisten zuerst dem See und dann diesem Geheimnis auf den Grund gehen, bevor wir anderen womöglich auf den Leim gehen. Nichts geht ohne Recherche.

Wir sollten es zumindest versuchen, selbst wenn wir manchmal an diesem Anspruch scheitern. Wir müssen es versuchen, bevor wir schreiben und publizieren. Der Blick aus der Ferne auf ein hübsches Postkartenmotiv dieses Sees genügt nicht. Mit einem Paddelboot auf das Gewässer oder mit einem Schnorchel ein, zwei Meter unter die Oberfläche hilft auch nicht viel weiter. Wir könnten vielleicht twittern, dass das Wasser kalt ist, oder bloggen, dass wir den Grund des Sees nicht sehen. Der Erkenntnisgewinn wäre gleich null. "Ach", sagte eines Tages die Reporterlegende Seymour Hersh, dem wir das Wissen um den Folterskandal im irakischen Abu Ghreib verdanken, auf die Frage, welches die größten Fehler von Journalisten seien, "ach, diese Vermutungen, immer nur Vermutungen."

Was liegt also auf dem Grund dieses Sees? Ein Goldschatz, Atommüll oder vielleicht auch nichts? Wer's wissen will, muss tauchen. Vielleicht 50 oder 100 Meter tief. Er oder sie braucht Luft zum Atmen. Er oder sie muss Profi sein, braucht Technik, Ausrüstung, muss wissen, wann beim Tauchen eine Pause einzulegen ist, damit die Lungen nicht explodieren.

Vielleicht braucht es noch ein professionelles Bergungsteam für den Müll oder den Schatz. So viel Aufwand muss schon sein. Wer ihn scheut, wird scheitern. Nichts gegen Twitter oder den schnellen Blogger. Aber mit Paddelboot und Schnorchel käme er weder sehr weit noch sehr tief und schon gar nicht bis auf den Grund.

Was muss Journalismus leisten, was ist wirklich wichtig? Was wir Schreiberlinge von der Postkarte halten, was wir denken oder was wir wissen? Und falls man sich auf Letzteres verständigen könnte, wie kommen Journalisten an dieses Wissen? Recherche ist mehr als nur der gelegentliche Griff zum Telefon oder zum Fernglas.

Es braucht eine Lupe. Sie macht jedoch nur dann Sinn, wenn wir nah genug an den Schatz oder den Dreck auf dem Grund dieses vielleicht dunklen Gewässers herangekommen sind und ihn gehoben haben. Wohl wissend, dass wir selbst dann trotz Lupe womöglich etwas übersehen. Der Versuch muss sein. Können wir uns einen solchen Aufwand leisten, macht eine solche Arbeit Sinn? Was darf oder muss sie kosten, und hat diese Arbeit einen Nutzen, vielleicht sogar einen Wert?

Nichts geht ohne Recherche. Das schaffen wir nur, liebe Leser, mit Ihrer Hilfe. Kontext ist eine spendenfinanzierte Zeitung, und unsere Spenden sind endlich. Deshalb rufen wir jetzt die Kampagne <link internal-link>Kontext:Ist mir's wert ins Leben. Fördern Sie das Projekt mit einem "Abo" von monatlich zehn Euro, damit Kontext jeden Mittwoch im Netz und am Samstag in der taz ist. Sie dürfen uns natürlich auch gerne mit einem größeren Betrag unterstützen. Ob monatlich oder einmalig, ob 100 oder 1000 Euro, Ihrer <link internal-link>Spendenfantasie sind keine Grenzen gesetzt.


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1 Kommentar verfügbar

  • peterwmeisel
    am 09.12.2011
    Antworten
    KONTEXT ist mir's wert! Hier habe ich das Gefühl, der Wahrheit etwas näher zu kommen. Als Taucher habe ich selbst erlebt wie Paradiese in der Tiefe aussehen können. Die Postkarten, wie verbreitete Werbematerialbildchen, locken zum Träumen. Es ist eben auch wunderbar!
    Aber Heinrich Heine ward auf…
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