Cartoons sind die Würze des Journalismus. Sie pfeffern die Welt der Nachrichten wie kürzlich der Guardian-Karikaturist Steve Bell, als er den Feldzug der englischen Kirche gegen Occupy-Demonstranten aufgespießt hat. Sie sind das Salz in einer manchmal bis zur Langeweile ausgewogenen Berichterstattung. Und manchmal sind sie sogar Sprengstoff wie die Mohammed-Karikaturen der dänischen Zeitung "Jyllands-Posten".
Doch egal ob Salz oder Pfeffer: Cartoons sind immer eine ganz eigene Form der Realitätswahrnehmung. Oder wie der Kunstprofessor Alexander Roob sagt: "Politische Karikatur ist Zeichnung geladen, munitioniert mit unterschwelliger Bedeutung und Polemik. Sie dampft seitenlange Leitartikel auf Panelgröße herunter und packt weitschweifige Argumente in eine einzige Geste und einen einzigen Blick."
Seit geraumer Zeit experimentieren wir von der Redaktion der Kontext:Wochenzeitung gemeinsam mit Studierenden und Lehrkräften der Stuttgarter Kunstakademie in einer Art Werkstatt, wie wir die Welt der Zeichnungen in unserer Onlineausgabe und im samstäglichen Printprodukt verankern können. In solch einer Schmiede von Wort und Bild wird viel ausprobiert, verworfen, neu konzipiert, um die Ecke gedacht, Unmögliches gedacht, das Machbare herausdestilliert. Und die jungen Studierenden sind mit Leidenschaft, Kreativität und Können bei der Sache. Für sie ist es eine Möglichkeit, ihr Wissen und Können öffentlich zu präsentieren. Für uns von der Kontext:Wochenzeitung ist diese kreative Werkstatt ein Experiment, bei dem neue Elemente wie Signets, Cartoons oder Illustrationen das Kontext-Bild bereichern.
Die Schüler des Designprofessors Uli Cluss und des Grafikprofessors Alexander Roob haben sich auf diese gemeinsame Entdeckungsreise mit Kontext eingelassen. Das braucht Geduld, Experimentierlust und das Wissen, dass Umwege nicht nur Zeit kosten, sondern auch überraschende Perspektiven eröffnen.
Nun ist es so weit: In dieser Ausgabe beginnen wir mit einer eigenen Comicserie, die der Journalist Peter Unfried und der Kunstakademie-Student Björn Dermann gemeinsam gestalten. "Der Ökodiktator" wird ab heute in unregelmäßigen Abständen die Kontext:LeserInnen entführen in die Welt der grün-roten Regierung mit ihren Stolpersteinen, Fallen und (Koalitions-)Intrigen.
Peter Unfried, taz-Chefreporter, der aus dem Hohenlohischen stammt, ließ sich von unserem Kontext-Waldspaziergang vor wenigen Wochen zu einem Schauspiel mit fünf Personen inspirieren: Jeden Sonntagmorgen, 9 Uhr, macht der Ökodiktator mit seinen Wanderfreunden Boris, Winne und dem stellvertretenden Ökodiktator Drniils zu Hause in Laiz auf der Schwäbischen Alb einen Waldspaziergang. Wanderweg II, 15,3 Kilometer. Manchmal kommt die Ökodiktatorin auch mit.
Unfried war hocherfreut von der Aussicht, dass ein Kunststudent seinen Polit-Spaziergang in Bilder packt. "Ich habe schon immer davon geträumt, einen Comic zu machen", sagt Unfried. Nun hat der 48-Jährige in dem 23 Jahre jungen Kunstaka-Studenten Björn Dermann einen gefunden, der seine Träume wahrmacht. Wir finden, dieses Generationenprojekt kann sich sehen lassen.
Für den Roob-Schüler Dermann ist diese Arbeitsweise Neuland. Bisher arbeitete der gebürtige Stuttgarter an Comic-Reportagen, deren Texte er selbst verfasste, wenn sie nicht sogar ganz ohne Text auskamen. Nun hat er einen Kollegen von der schreibenden Zunft an der Seite. Und die zwei Kreativen haben sich in den vergangenen Wochen gewinnbringend zusammengerauft.
Es ist nicht einfach, die Gesichter von Politikern in wenigen charakteristischen Strichen zu erfassen. Björn Dermann war verblüfft, was dieser Blick auf Menschen, die er nur aus den Medien kennt, bei ihm selbst ausgelöst hat. "Sie verwandeln sich plötzlich in Figuren der Geschichte und wirken plötzlich so harmlos, wie sie gar nicht sind", sagt der Kunststudent über seine zeichnerische Annäherung an die baden-württembergische Politspitze.
Peter Unfried und Björn Dermann werden in unserem Politcomic zusammenarbeiten wie die Asterix-und-Obelix-Väter Uderzo und Goscinny. Und wir hoffen, dass wir noch viele Geschichten aus ihrer kleinen Werkstatt sehen dürfen. Salz und Pfeffer dürfen auch bei Kontext nicht fehlen. Wir wünschen erhellendes Vergnügen in und mit den neuen Schuhen der Landesregierung.
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