Es gibt Orte, an denen Menschen auf einen Strich treten müssen, an dessen einem Ende 0, am anderen 100 steht. Sie sollen sich dort hinstellen, wo sie sich sehen - auf der digitalen Leistungsskala. Diese Orte finden sich in Pressehäusern, die im Internet die Rettung wähnen und in ihrem Personal Probanden für die neue Zeit. Schlechte Karten für jene KollegInnen, die sich bei 10, 20 oder 30 einordnen. Ewiggestrige.
Es gab Zeiten, da wurden Standpunkte anders ermittelt. "Auf welcher Seite stehst du? He! Hier wird ein Platz besetzt", sang einst Walter Mossmann, der in diesem Jahr verstorbene Wyhl-Aktivist. Das war in den 70er-Jahren, also lange her. Aber deshalb falsch? Ab auf den Müllhaufen der Geschichte?
Wir meinen: nein. Ein Standpunkt ist heute wichtiger denn je. Kein verbohrter, kein unverrückbarer, keiner, der die Wahrheit für sich beansprucht. Aber einer, der unterscheiden lässt zwischen Oben und Unten, zwischen Gerechtigkeit und Ungerechtigkeit, zwischen Krieg und Frieden, zwischen Freiheit und Zwang.
Also sagen, was ist. Ungeschminkt, unerschrocken, unermüdlich. Das ist der Job des Journalisten. Einmischen, auf Missstände hinweisen und Fenster aufmachen, durch die eine bessere Welt sichtbar ist. Und das geht nicht ohne Kompass.
Insofern ist die letzte Kontext-Ausgabe in diesem Jahr wieder eine Positionsbestimmung. Wir haben die Geschichten heraus gesucht, die uns wichtig waren, sie weiter geschrieben, um zu zeigen, was war und was daraus wurde. Allen liegt eine Haltung zugrunde. Sei's bei den entlassenen Karstadt-Frauen, den Wasserwerfer-Opfern, der in Meßstetten verhinderten NPD, dem reaktionären Kopp-Verlag, den wildgewordenen Windkraftgegnern bis hin zum Stuttgarter Pressehaus, in dem der Kahlschlag weiter geht. Und für die Augenmenschen hat unser Fotografenmeister Joachim E. Röttgers die schönsten Kontext-Fotos des Jahres gesammelt.
In diesem Sinne: Auf ein Neues.
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Blender Blender
am 29.12.2018