Dass Zeitungen wichtig sind für die Demokratie, dass sie Leser informieren sollen und aufdecken, was andere gerne unter den Teppich kehren möchten – das wird in Sonntagsreden gerne auch von den Verlegern propagiert. Doch schon montags sieht es anders aus. Dann regiert der Rotstift. Dann wird gespart, dann werden Redaktionen ausgedünnt. Doch nicht nur dies. Wo immer in der Republik Tarifverträge abgeschlossen werden – bei den Journalisten fallen die Erhöhungen fast immer am geringsten aus. Redakteurinnen und Redakteure – und natürlich auch die freien Mitarbeiter – gehören zu den Schlusslichtern der Tarifpolitik. Das ist so seit mehr als zehn Jahren.
Von 2000 bis 2013 betrugen die Tarifsteigerungen in der Gesamtwirtschaft fast 22 Prozent. Für die Redakteurinnen und Redakteure dagegen lagen die Erhöhungen bei mageren neun Prozent. Nimmt man nur die vergangenen fünf Jahre, wird der Geiz noch deutlicher: Seit 2009 betrugen die Steigerungen in der Gesamtwirtschaft mehr als zwölf Prozent – bei den Redakteurinnen und Redakteuren dagegen lag die Zunahme nur bei etwas mehr als drei Prozent. Nicht nur gegenüber dem Durchschnitt der Gesamtwirtschaft schnitten sie schlechter ab, sondern auch gegenüber fast allen wichtigen Branchen. Besonders seit 2002 klafft die Entwicklung immer weiter auseinander: Die chemische Industrie, im Jahr 2000 ebenfalls wie die Journalisten beim Indexwert 100 gestartet, kommt bis 2012 auf einen Wert von 135, ihre Beschäftigten liegen damit an der Spitze bei den Erhöhungen. Kaum schlechter schneiden die Mitarbeiter der Metallindustrie ab. Doch auch die Steigerungen im Bankgewerbe, im öffentlichen Dienst und im Einzelhandel bringen noch eine Steigerung der Realeinkommen. Insgesamt rangieren die Journalisten ganz unten. Sie erreichen bis 2012 nur knapp den Indexwert 117. Damit liegen sie drei Punkte unter den Preissteigerungen – Reallohnverlust.
Grundlage des Vergleichs sind allein tariflich vereinbarte Lohn- und Gehaltssteigerungen. Zählte man hinzu, was übertariflich bezahlt wird, sähe die Lage für Redakteurinnen und Redakteure wohl noch schlechter aus: Anders als etwa viele Ingenieure erhalten die Beschäftigten in den Redaktionen nur in seltenen Fällen noch eine übertarifliche Bezahlung. Und anders als Arbeiter und Angestellte in der Autoindustrie bekommen sie auch keine Erfolgsprämie. Die letzte Tarifrunde 2010/11 brachte den Journalisten ein dürftiges Ergebnis: Für die Monate August 2010 bis April 2011 gab es eine Pauschale von 200 Euro. Ab Mai 2011 bis Juli 2013 wurden die Gehälter um 1,5 Prozent erhöht. Zusätzlich gab es im Februar 2013 Einmalzahlungen von 200 Euro. Die Honorare für freie Journalistinnen und Journalisten wurden ab Oktober 2011 und ab August 2012 um jeweils zwei Prozent erhöht – auf dem Papier. Viele Verlage zahlten die höheren Honorare nicht, andere schon – aber sie vergaben dann auch weniger Aufträge.
So sind die Redakteurinnen und Redakteure wieder abgehängt worden: Die 2012 insgesamt abgeschlossenen Tariferhöhungen betrugen im Schnitt 3,9 Prozent, Die Laufzeit für Tarifverträge entspricht aber kaum einmal dem Kalenderjahr. Wird auch dies berücksichtigt, kommt das Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Institut der Hans-Böckler-Stiftung (WSI) immer noch auf eine Tarifsteigerung von durchschnittlich 2,7 Prozent.
Im ersten Halbjahr 2013 haben die meisten Branchen nach einer Zusammenstellung des WSI eine Erhöhung zwischen zwei und vier Prozent vereinbart. Angesichts einer Preissteigerung von 1,6 Prozent, die das Institut für das laufende Jahr erwartet, bliebe ein Plus beim Reallohn – in der Wirtschaft insgesamt. Nicht so bei den Redakteurinnen und Redakteuren, so es nach dem Willen der Verleger geht.
2 Kommentare verfügbar
Ulrich
am 02.09.2013…