Die Seite "Kein-Netz.de" ist ein Forum für die übrig gebliebenen. Die meisten davon sind klein bis winzig. "87629 Rieden, Vodafone, totales Funkloch, 24 Std. am Tag. Bitte besser versorgen!!!" "99974 Dachrieden, Hauptstraße 2, Vodafone, alles tot." Wer im Funkloch sitzt, ist sauer. Oder besonders: Mittlerweile schreiben die, die eine Zeit lang ohne mails und Netz leben Bücher (Alex Rühle "Ohne Netz: mein halbes Jahr offline" oder Christoph Koch "Ich bin dann mal offline"), Spiegel online berichtete erst vor ein paar Tagen über eine Familie, die aller moderner Technik abgeschworen hat. "Leben ohne Internet und Handy: Mit den McMillans zurück ins Jahr 1986", keine Spielkonsolen, kein Handy, kein Kabelfernsehen, es klingt wie eine Skurrilität. Stern.de schrieb kürzlich darüber, wie der Amerikaner Paul Miller 365 Tage offline ging. "Paul Miller hat das Undenkbare gewagt." Letztlich wurde er depressiv.
"Machen Sie doch mal Urlaub im Funkloch", sagte Brandenburgs Wirtschaftsminister Ulrich Junghanns (CDU) auf der Tourismusmesse ITB 2009 und pries so sein netzlöchriges Bundesland als bereisenswert an. "Funklöcher sind Sehnsuchtsorte", schrieb Zeit online 2011. Damals war "flächendeckend" noch Auslegungssache. Mittlerweile ist Deutschland so satt an Empfang, dass die Künstlerin Tina Tonagel aus Köln sogar ihr eigenes "mobiles Funkloch" entworfen hat - eine Kabine mit Rollen, einer Tür und einer Sitzgelegenheit. "Das Funkloch entbindet einen aus dem Zusammenhang der Mobilfunknetze, es ist ein Ort mitten im Labyrinth, der gleichzeitig außerhalb liegt." Klingt gut. Absolut NSA-frei.
Und es gibt noch mehr Bewahrer der Netzfreiheit. Bürgerinitiativen, die sich gegen Elektrosmog einsetzen, zum Beispiel. Aber die meisten haben trotzdem eine Mailadresse oder einen Telefonanschluss und sind auch nur so lange aktiv, bis sich die "Ionen im eigenen Haushalt" wieder geordnet haben, wie ein Aktivist mir erzählt.
"Es gibt kaum noch Funklöcher", sagt Frank-Ulrich Mann, der Rechtsanwalt, der die strahlungskritische Initiative "ABStrahl" vertritt und gleichfalls Ulrich Weiner, den elektrohypersensiblen Mann, der im Schwarzwald in einem Wohnwagen lebt und ständig gegen neuen Sendemasten kämpft, die seine strahlungsfreie Umwelt verseuchen. Funkfreie Zonen seien nicht gewünscht, sagt Mann. In Italien auf einem Berg gibt es eine. Im französischen Soubey hatte der Bürgermeister die Idee von einer Art strahlungsarmem Kurort schon als wirtschaftlich mehr als rentabel verbucht, bis sein Dorf ihm einen Strich durch die Rechnung machte. Kaum einer will ja dauerhaft empfagslos bleiben. In Deutschland ist sowas eher undenkbar. Da ist die Telekom überall. Fast zu 100 Prozent. Sogar der strahlensensible Ulrich Weiner hat sich ein Telefonkabel durch den Wald legen lassen, damit er Kontakt zur Außenwelt halten kann. "Jetzt bin ich wieder verbunden", sagt er in einem Fernsehbeitrag stolz. Nicht mal er ist NSA-frei unterwegs. Enttäuschend.
5 Kommentare verfügbar
Ralf Kiefer
am 13.11.2013> und, wenn es gut läuft, 1 Mbit/s.
Ich ergänze: Stutensee-Spöck, 15km von Deutschlands selbsternannter Internet-Hauptstadt entfernt. Wenn's gut läuft und man nicht Kunde bei KabelBW sein möchte und kann (zu einem…