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Eingebettelt

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Drei Sachen hängen mir langsam zu Halse raus, und wie: der Wulff 21, der Bahnhof und die einbettelten Journalisten. Was den Wulff angeht: der sah blendend aus neulich, nicht nur neben seiner Christina, obwohl sich beide nichts anmerken ließen beim Empfang der Heiligen Drei Könige. Top in Form, top gekleidet – jeder fragt sich natürlich: Können die sich das überhaupt leisten? Grohmann wettert.

Drei Sachen hängen mir langsam zu Halse raus, und wie: der Wulff 21, der Bahnhof und die einbettelten Journalisten. Was den Wulff angeht: der sah blendend aus neulich, nicht nur neben seiner Christina, obwohl sich beide nichts anmerken ließen beim Empfang der Heiligen Drei Könige. Top in Form, top gekleidet – jeder fragt sich natürlich: Können die sich das überhaupt leisten? Dreikönig (Epiphania) hat bekanntlich mit der Erscheinung des Herrn zu tun – vielleicht hat ja da der Präsident was verwechselt. Weiß man's?

Epiphanes selbst lebte in Sami, das ist bei den Arabern unten, starb mit 17 und hinterließ ein paar fürchterliche Gedanken, die uns heute noch Sorgen machen. Ob dieser Epiphanes aber was mit den drei Königen zu tun hat, weiß ich nicht. Der junge Kerl behauptet jedenfalls, dass die Unterschiede zwischen Sklaven und Freien, Arm und Reich nicht der Natur entsprechen.

Zugegeben, weit hergeholt, aber auch die Heiligen Drei Könige hatten ja einen langen Weg, so lang, dass Weihrauch aus Syrien inzwischen so knapp wird wie die eingebetteten Journalisten bei Siemens. In Syrien werden ja auch die Menschenrechte knapp, sie sind auf den Einjahrescharts der Börsianer schon nicht mehr zu finden. Die EU will natürlich, anders als Siemens, nur mit guten Diktatoren zusammenarbeiten, und Assad tut da gar nicht gut. Was folgt? Die EU verschärft die Sanktionen gegen Syrien, und Siemens erhöht seine Investitionen in Syrien. Herrgottsack, sollen wir denn alles den Russen und Chinesen überlassen?

Sehen Sie, so ist das auch mit dem Bahnhof! Wenn wir ihn nicht bauen, baut ihn die Bahn vielleicht in Mannheim oder Kempten, und wir in Stuttgart sehen alt aus. Der Bahnhof, Synonym für Juchtenkäfer, Zugverspätungen und Fledermäusle im Südflügel. Für Nicht-Stuttgarter: der Südflügel ist der Flügel des Stuttgarter Hauptbahnhofs, der noch steht, während ich das schreibe, aber der schon abgerissen sein könnte, während Sie das hier lesen.

Die Polizei hat, der besseren Berichterstattung wegen, nicht nur für die 9000 Polizisten Quartiere gebucht, sondern auch für die Journalisten – Letztere, sagt man, in den Hotels Graf Zeppelin, Schlossgarten und Le Méridien, unmittelbar an der gedachten Kampfzone. Wolfgang Schuster, bislang in der Schusslinie, kündigt den geordneten Rückzug an, mit Empfehlung an Herrn Wulff: Beispiel nehmen!

Peter Grohmann. Foto: Martin StorzVorm Abriss könnten den Südflügel vermutlich nur die Fledermäusle retten, die dort in der Nähe leben. Die erfahren, ihm Gegensatz zu den 8000 anderen Arten, die rund um den Erdball von der Vernichtung bedroht sind oder jährlich aussterben wie afrikanische Kinder, eine gewisse Öffentlichkeit, vergleichbar mit der für Wulff im "Bild". Es wäre aber verkehrt, jetzt auf "Bild" rumzuhacken – ruckizucki ist man als "Bild"-Redakteur eingebetteter Regierungssprecher oder Schlimmeres, und das ist praktisch die Arschkarte, vom Scheitel bis zur Sohle.

 Peter Grohmann ist Kabarettist und Gründer des Vereins Die Anstifter.


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