Leider sind nicht nur im Kriminalroman die Dinge häufig anders, als sie auf den ersten oder auf den zweiten Blick erscheinen. Als ich mit dem Dengler-Krimi "Die letzte Flucht" einen Blick ins Innere unseres Gesundheitswesens warf, merkte ich nach umfangreicher Recherche und vielen Gesprächen mit Beteiligten, dass auch in einem entscheidenden Bereich unserer Daseinsfürsorge vieles nicht so ist, wie die meisten es annehmen.
Bis dahin glaubte ich, das Gesundheitswesen sei für die Patienten und Versicherten da, es ginge um die Verhütung und die Heilung von Krankheiten. Umso überraschter war ich, als ich herausfand, wie sehr unser Gesundheitssystem von einigen wenigen Firmen dominiert wird, die Arzneien herstellen und vertreiben. Ich staunte über die riesigen Umsatzrenditen von 30 Prozent und mehr, die in dieser Branche erzielt werden. Im Vergleich: Für ein gut geführtes Maschinenbauunternehmen sind sechs Prozent Umsatzrendite ein gutes Ergebnis, der Einzelhandel erwirtschaftet zwischen einem und zwei Prozent. Die Gewinne der Pharmaindustrie lassen sich jedoch nur mit denen des Waffen- oder den Drogenhandels vergleichen. Sicher, jede Firma, die nützliche Produkte herstellt, soll auch Gewinne machen, und Arzneien sind sicherlich nützliche Produkte. Doch die extreme Höhe der Gewinne ist auch deshalb so empörend, weil sie nahezu ausschließlich von Ihnen und mir, weil sie aus den Krankenversicherungsbeiträgen von Wenig- oder Normalverdienern erzielt werden.
Der entscheidende Vorgang für jeden Pharmakonzern ist das Ausstellen des Rezepts durch den Arzt. "Der Vorgang des Verordnens durch den Arzt ist für uns die Ladenkasse", erklärte mir ein Vorstandsmitglied eines großen Pharma-Unternehmens bei einem Recherchegespräch in Berlin. Diesen entscheidenden Moment, diesen Augenblick, in dem ein Arzt das Rezept ausstellt, versucht diese Industrie mit milliardenschweren Marketingprogrammen zu beeinflussen. Es ist erstaunlich, mit welch perverser Fantasie und enormen Geldmengen sich die Pharmaindustrie diesem Ziel widmet.
Eine der Methoden sind direkte Geldzahlungen an Ärzte (die im Pharmajargon stets nur als "Verordner" bezeichnet werden). Es ist der Rechercheplattform correctiv.org zu verdanken, dass nun erstmals eine Übersicht vorgelegt wird, in der jedermann überprüfen kann, welcher Arzt wie viel Geld von den Pharmakonzernen genommen hat. Doch Vorsicht: Sie finden darin nur jene Ärzte, die der Veröffentlichung ihres Namens zugestimmt haben. Die Dunkelziffer ist also beträchtlich größer.
Doch am besten ist, Sie fragen bei dem nächsten Arztbesuch ihren Doktor direkt, ob auch er zu jenen gehört, die Sonderzahlungen angenommen haben. Wenn er es verneint, gratulieren Sie sich zu Ihrer Arztwahl, ansonsten rate ich Ihnen zu einem schnellen Wechsel.
4 Kommentare verfügbar
Dr. Stefan Kissinger
am 27.07.2016Mit dem Leiden anderer Menschen Geld "einfahren".
Kennen Sie einen Frauenarzt, der nicht Luxuswagen, Häuser etc. besitzt? Gerade mit der Verhütung und neuerdings mit den…