Nicht nur Prominente wie den Schauspieler Til Schweiger oder SPD-Chef Sigmar Gabriel kann es treffen. Jeder, der sich in diesen Zeiten gegen Hassparolen, Nazipropaganda oder schlicht dummes Zeug stellt, kann Opfer eines Shitstorms im Netz werden. So wie Jörg Rupp, der sich in Karlsruhe gegen einen der letzten verbliebenen "Pegida"-Ableger im Lande engagiert. "Wir stehen alle vierzehn Tage auf der Straße, um Flagge gegen rechts zu zeigen", sagt der Schulungsleiter, der zu Jahresbeginn das Netzwerk "Nokargida" mitgegründet hat.
Sein öffentliches Engagement für Toleranz, Vielfalt und eine offene Willkommenskultur in Karlsruhe, sein Eintreten gegen Fremdenfeindlichkeit, wie sie die "besorgten Bürger" praktizieren (die inzwischen deutlich dezimiert als "Widerstand Karlsruhe" firmieren), wurde ihm schnell übelgenommen. "Ich werde bedroht, beleidigt, beschimpft", sagt Rupp, der in seinem Wohnort Malsch für die Grünen im Gemeinderat sitzt und kürzlich seinen Rückzug aus dem Landesvorstand angekündigt hat. Wegen der grünen Flüchtlingspolitik. Er spricht von Facebook, der zum "asozialen" Netzwerk mutierten Plattform.
"Es ist unglaublich, was die Leute da einem an den Kopf werfen. Der Hass ist erschreckend", wundert sich Rupp immer wieder aufs Neue. Nicht selten erfüllen Wortwahl und Inhalt der Hetzpostings einen oder mehrere Straftatbestände, für die das bürgerliche Strafgesetzbuch ein- bis mehrjährige Haft oder hohe Geldstrafen vorsieht: üble Nachrede, Nötigung, Bedrohung, Volksverhetzung. Dabei ist es kein Trost, dass Rupp nicht alleine im Fokus rechter Hassprediger steht.
Das LKA sammelt so viele Hinweise wie noch nie
Seit Syrer, Iraker und Afghanen vor dschihadistischen Terrormilizen, fanatischen Selbstmordattentätern und Assads Fassbomben nach Europa und Deutschland fliehen, haben Hass und Hetze im virtuellen Raum Hochkonjunktur. Nicht nur polizeibekannte Neonazis machen im deutschsprachigen Internet mobil gegen Flüchtlinge und Flüchtlingshelfer. "Vom Schüler bis zum unbescholtenen Bürger konnten wir alles als Tatverdächtige oder als Urheber ermitteln", sagt Hans Matheis, Abteilungsleiter Staatsschutz im baden-württembergischen Landeskriminalamt (LKA).
Über <link https: www.bkms-system.net bkwebanon report external-link-new-window>das anonyme Hinweissystem der Behörde liefen in den vergangenen Wochen so viele Hinweise auf rechtsextremistische Inhalte im Netz ein wie noch nie. "Allein im August hatten wir 1700 Hinweise", sagt der Beamte. In den ersten Septembertagen wurden den Stuttgarter Ermittlern weitere 350 Mal Internetseiten gemeldet, auf denen rechtes Gedankengut verbreitet wird. Oftmals dienen Screenshots und Bilddateien der verdächtigen Seiten als Beweis. "Sehr häufig geht es um volksverhetzende oder antisemitische Äußerungen", so Matheis.
Doch das ist nur die Spitze eines Eisbergs. Das LKA-Portal für anonyme Kontaktaufnahme in Sachen Rechtsextremismus, Ende 2012 in Betrieb genommen und bis dato bundesweit einmalig, ist ein Weg, über den Mitbürger die Behörden über potenziell strafbare Inhalte im Netz in Kenntnis setzen. "Viele Bürger melden sich auch über die Internetwachen", erläutert Matheis. Doch nicht in allen Internetwachen kann auch online Strafanzeige gegen Volksverhetzer oder Bedroher gestellt werden. In manchen Bundesländern müssen Anzeigeerstatter weiterhin persönlich auf einer Polizeidienststelle erscheinen, wo Polizisten die Angaben und Hinweise aufnehmen. Dies ist der klassische Weg, um Strafermittlungen anzustoßen.
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schleswig-holsteinerin
am 21.11.2015