KONTEXT:Wochenzeitung
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Willkür vor der Haustür

Willkür vor der Haustür
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Politische Justiz? Gibt es nur in Unrechtsstaaten? Von wegen: Die gibt es auch in Deutschland, gerade vor der Stuttgarter Haustür. Und verkörpert wird sie nicht nur durch den umstrittenen und mittlerweile in den vorzeitigen Ruhestand verabschiedeten Oberstaatsanwalt Bernhard Häußler. Ein neues Kontext-Buch, das Anfang Dezember erscheint, zeigt "Beispiele politischer Justiz in unserem Land" auf. Sie reichen zurück bis in die 1970er-Jahre.

"Dass es gelungen ist, in Deutschland seit dem Zusammenbruch von 1945 und der Niederlage des Faschismus insgesamt auch einen stabilen Rechtsstaat und ein funktionierendes Justizsystem aufzubauen, darf keinesfalls unterschätzt werden. Wer schon in anderen Staaten gelebt hat, in denen dies fehlt, weiß dies nur zu gut", schreibt der Stuttgarter Anwalt Jörg Lang im einleitenden Kapitel "Zur politischen Justiz in unserem Lande". Und setzt aber fort: "Zu einem entwickelten Rechtsstaats-System gehört allerdings auch, dass ein solcher Staat und seine rechtlichen Instanzen immer wieder überprüfen und überprüfen lassen, ob ihre eigene Praxis den beanspruchten hehren Standards tatsächlich entspricht. Jedenfalls bedarf ein demokratisch verantwortlicher rechtsstaatlicher Verwaltungs- und Justizapparat der eigenen Reflexion wie auch der öffentlichen Kritik und Kontrolle, um Missstände zu erkennen und diese so weit als möglich abzustellen. Dies ist unter anderem ein Ziel der vorstehenden Publikation."

Wie es aber tatsächlich bestellt ist um eben jene Selbstreflexion, um öffentliche Kritik und um Kontrolle unseres Justizapparats, nämlich nicht immer zum Guten, das legen Lang und ein knappes Dutzend anderer Autoren in insgesamt 21 Beiträgen anhand von Beispielen dar, die einen Zeitraum von fast 40 Jahren überspannen. Stichwörter: Radikalenerlass, Volkszählung, Eucom-Blockaden bis hin zur Neuzeit – Schwarzer Donnerstag, die Untersuchungsausschüsse dazu und zum EnBW-Deal, Einschränkungen der Versammlungsfreiheit und Polizeikessel bis hin zu Einzelfällen, in den Willkür und politisches Freund-Feind-Denken der handelnden Justizorgane besonders deutlich werden.

Jörg Lang, von dem fünf Beiträge im Buch stammen, hat als Herausgeber die übrigen Autoren zur Mitarbeit gewonnen, ihre Texte lektoriert und das Ganze zur Druckreife gebracht. Neben den beiden Kontext-Redakteuren Hermann G. Abmayr und Jürgen Bartle zählen zu den Autoren vor allem Juristen, die viel sagende Erfahrungen aus eigenem beruflichen Erleben berichten. Prominenteste Autorin ist die ehemalige Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin, von der das Vorwort stammt.

Das Buch, das in Kooperation der Kontext:Wochenzeitung mit dem Bürgerprojekt Die Anstifter erscheint, geht dieser Tage in die Produktion. Es soll 14,80 Euro kosten, in der ersten Dezemberwoche fertig sein und im Rahmen einer öffentlichen Veranstaltung und Lesung in Stuttgart vorgestellt werden. Sobald der Termin feststeht, werden wir die Kontext-Leser auf dieser Seite informieren und selbstverständlich auch Bezugsquellen nennen.

Vorab gibt es als Leseprobe das einleitende Kapitel von Jörg Lang, <link file:6676>das an dieser Stelle als PDF heruntergeladen werden kann.


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7 Kommentare verfügbar

  • Ulrich Frank
    am 26.11.2013
    Antworten
    Angesichts der im Artikel diskutierten Fälle von politisch gepolter Rechtsprechung wie auch angesichts des Falles Mollath kommt einem die Selbsteinschätzung deutscher Richter - wie sie z.B. in einem Interview-Artikel in den letzten 10 Tagen in einem online-Beitrag (den ich momentan leider nicht mehr…
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