Die Nachfrage nach den betriebseigenen Wohnungen übersteige das Angebot bei Weitem, sagt Möbius. "Manchen Mitarbeitenden erleichtert eine Personalwohnung den Start in Stuttgart, bis eine eigene Wohnung gefunden ist. Für andere Mitarbeitende ist die Personalwohnung aber auch eine langfristige Möglichkeit, um nah am Arbeitsplatz wohnen zu können." Das städtische Klinikum Karlsruhe bietet fast 250 Wohnungen und WG-Zimmer überwiegend für Schüler:innen, Studierende und internationale Pflegefachpersonen an. Um mit der hohen Nachfrage mitzuhalten, kooperiert das Klinikum wie auch die Klinik Stuttgart mit dem städtischen Wohnungsbauunternehmen. "Das Angebot und die Qualität von Mitarbeiterwohnungen sind sehr gewichtige Kriterien bei der Gewinnung von neuen Mitarbeitenden und Auszubildenden", sagt Elvira Schneider, Pflegedirektorin am Klinikum Karlsruhe. Auch weitere Krankenhäuser im Land halten besonders für Auszubildende Betriebswohnungen bereit.
Nachdem die grün-schwarze Landesregierung im vorigen Jahr 30 Millionen Euro für Azubi-Wohnheime vom Bund nicht in Wohnheime, sondern in den normalen Wohnungsbau umgeleitet hatte (Kontext berichtete), hat das Razavi-Ministerium es mittlerweile geschafft, für eben diese Bundesmittel ein Förderprogramm zu stricken, das gezielt Wohnheime für Auszubildende unterstützt. Die Nachfrage sei groß, heißt es aus dem Ministerium – vor allem von kommunalen Wohnungsbaugesellschaften. Wie schnell und wo tatsächlich gebaut wird, ist dagegen unklar.
Schon seit 2020 besteht ein landeseigenes Förderprogramm für Mitarbeiterwohnungen. Seit 2022 wurden für 21 Projekte 36,7 Millionen Euro bewilligt, heißt es auf Anfrage von der federführenden L-Bank. Insgesamt seien so bislang 474 Wohneinheiten gefördert worden. Die Wohnprojekte seien auch hier vor allem in den Bereichen medizinische Versorgung, Pflege und Betreuung angesiedelt. Das Förderprogramm sei vor allem "hilfreich für die Gewinnung ausländischer Fachkräfte in den Branchen medizinische Versorgung", sagt ein Sprecher der L-Bank.
Wohnraum? Nicht unser Problem
Während in der Gesundheitsbranche und im Handwerk offen über die Probleme bei der Personalgewinnung durch den Wohnungsmangel gesprochen wird, will man bei großen Unternehmen im Land auf Kontext-Anfrage nichts von derartigen Schwierigkeiten wissen. Von Absagen potentieller neuer Mitarbeiter:innen wegen Wohnungsmangel wussten Mercedes-Benz, EnBW oder 1&1 nichts zu berichten. "Sicherlich ist es hin und wieder ein Thema in Vorstellungsgesprächen, wenn potenzielle Kandidatinnen und Kandidaten aus entfernteren Regionen kommen", sagt ein Sprecher des Autoherstellers Porsche. Häufig könnten dann aber Kolleg:innen helfen, heißt es von den genannten Großkonzernen. Nur die EnBW hält 170 Betriebswohnungen in Baden-Württemberg. Mercedes hat seine Werkswohnungen längst aufgegeben. Die anderen Unternehmen sagen, sie unterstützten in Einzelfällen bei der Suche oder setzen wie Porsche auf Kontakte. Die SAP unterstützt ihre Beschäftigten beim Erwerb von Eigentumswohnungen und Häusern mit einem zinslosen Darlehen.
Trotz einzelner Ausnahmen wie bei den Neubauten von Bosch oder beim Klinikum Stuttgart bleiben Werkswohnungen in Baden-Württemberg wie auch bundesweit eher die Ausnahme. In Berlin, Bremen, Hamburg oder München werden Betriebswohnungen häufig von öffentlichen oder landeseigenen Unternehmen wie Wohnungsunternehmen, Stadtwerken, dem Flughafen oder der Sparkasse initiiert. Doch größtenteils überlassen die Unternehmen das Thema Wohnen weiterhin dem Markt. Dabei ist bezahlbarer Wohnraum längst nicht mehr nur eine soziale, sondern auch eine strategische Frage – gerade im Wettbewerb um Fachkräfte.
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