Aber im Gegensatz zu den Unmengen Verpackungsmüll, die im Supermarkt Äpfel und Brot, Fleisch, Fisch und nahezu alles, was man überhaupt kaufen kann, umhüllen und die im günstigsten Fall seit 1990 alle paar Wochen in gelben Säcken am Straßenrand liegen, landet hier so gut wie nichts im Müll. Die Kundin oder der Kunde bringt am besten eigene Gefäße mit: etwa Gläser, Tupperdosen oder Stoffbeutel. Nun muss zuerst das Gefäß auf die Waage. Ein kleiner Aufkleber zeigt an, wie viel anschließend vom Gewicht abgezogen wird.
Ein weiterer Vorteil: Wer mit 500-Gramm-Nudelpackungen immer zu viel für die dreiköpfige Familie nach Hause trägt oder als Rentner nur kleine Mengen benötigt, kann die Menge hier frei bestimmen. Allerdings aufgepasst: Was einmal abgefüllt ist, darf nicht wieder zurück, aus hygienischen Gründen. Wem das alles zu umständlich ist, der darf auch eine Einkaufsliste mit Mengenangaben an der Kasse abgeben und bekommt zum gewünschten Zeitpunkt das Sortiment in den eigenen Behältern wieder mit. Wer kein Gefäß dabeihat, kann eines kaufen und von da an seine Erbsen und Nüsse zum Beispiel in platzsparenden, leicht waschbaren Baumwollbeuteln nach Hause tragen.
Fünf Milliarden Plastiktüten verbrauchen <link http: www.stuttgart.greenpeace.de sites files flyer_plastikmuell_in_den_meeren.pdf external-link-new-window>nach Angaben von Greenpeace Stuttgart die Deutschen im Jahr, von anderem Verpackungsmüll zu schweigen. Schätzungsweise 13 Millionen Tonnen Plastikmüll landen jährlich in den Weltmeeren. Sechs mal mehr Mikroplastikteilchen als Plankton bevölkern stellenweise die Ozeane. Sie reichern sich im Darm von Albatrossen und Eissturmvögeln an, die daran kläglich zugrunde gehen. In Fischfilets aus dem Supermarkt, hübsch verpackt in Plastikfolie, landen Zusatzstoffe wie Weichmacher, angereichert über die Nahrungskette, am Ende aber auch wieder auf dem menschlichen Mittagstisch.
Im März hat Wedlich mit anderen Greenpeace-Aktivisten am Neckarufer bei Cannstatt Plastikmüll eingesammelt. Nicht um das Abfallwirtschaftsamt zu entlasten – das Zangen und Müllsäcke bereitstellte. Sondern um Aufmerksamkeit auf das Thema zu lenken: Wenn der Neckar den Müll mitnimmt, landet er im Rhein und schließlich im Meer. Statt mit dem Finger auf andere Länder zu zeigen, ist es allemal besser, vor der eigenen Haustür zu kehren, meint Wedlich.
Die Idee kommt aus Berlin
Im Moment hat Wedlich für die Greenpeace-Arbeit allerdings nicht viel Zeit. Nach der Trennung von seinem früheren Arbeitgeber begann für ihn "die große Suche nach dem, was ich eigentlich will." Zum Schlüsselerlebnis wurde, als er im September 2014 von "Original unverpackt" hörte, dem ersten verpackungsfreien Laden in Berlin-Kreuzberg, der sehr viel mediale Aufmerksamkeit erfuhr. Wedlich fuhr hin, sah sich alles genau an, besuchte auch andere verpackungsfreie Läden, etwa in Kiel, wo Marie Delaperrière bereits im Februar 2014 den ersten Unverpackt-Laden in Deutschland eröffnete. Und entwickelte einen Geschäftsplan.
"Das war genau mein Ding", bekennt der Händler: "Ich koche gern, liebe Kräuter und Gewürze, bin Kaufmann und engagiere mich für die Umwelt." Ein halbes Jahr nach seinem ersten Besuch in Berlin gründete er ein Unternehmen und fand auch gleich einen Laden. Aus dem allerdings nichts wurde, weil die Wände feucht waren. Ein Versuch in der temporären Mall "Fluxus" in der Calwer Passage scheiterte daran, dass die Bank keinen Kredit gab.
Nun hat Wedlich im Stuttgarter Westen seinen Laden gefunden und eröffnet: auf 53 Quadratmetern, zwischen Bio-, Tante-Emma- und Feinkostgeschäft, wie er selbst sagt. Dazu kommt noch ein kleines Lager, nicht mehr als 20 Quadratmeter, wo die Ware in großen Säcken aus Papier oder Kunststoff lagert. Denn die Schütten sind nicht sehr groß, sie fassen zwischen 7,5 und 20 Liter und müssen immer wieder neu befüllt werden.
Etwa <link https: utopia.de ratgeber plastikfreie-laeden external-link-new-window>20 bis 30 verpackungsfreie Läden gibt es bisher in Deutschland, beinahe monatlich werden es mehr. Aber wer sagt, dass die Kunden in Stuttgart genau so ticken wie in Berlin-Kreuzberg? Wedlich hat vorerst etwas über 300 Produkte vorrätig, neben Trockenware auch Brot, Obst und Gemüse, Saft von Streuobstwiesen, Öl und Spezialitäten wie getrocknete Maulbeeren und Goji-Beeren, die er besonders schätzt. Allein mehr als 90 Kräuter und Gewürze hat der Hobbykoch vorrätig. Aber das Sortiment kann sich ändern, je nachdem, wie es angenommen und was nachgefragt wird.
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Horst Ruch
am 02.06.2016