"Mein Gott, was für eine Selbstbeweihräucherung", stöhnt der aus dem dampfig-heißen Saal des Heidelberger Karlstorbahnhofs herausdrängelnde ehemalige 68er und jetzige Professor A., "was für ein Krampf." Anlass dieser Klage ist die Eröffnungsveranstaltung der Ausstellung "Eine Stadt bricht auf. Heidelbergs wilde 70er" (bis zum 21. September). Auf dem Podium haben sich gerade in einem netten Smalltalk der Direktor des Kurpfälzischen Museums, Frieder Hepp, und Manfred Metzner, Kurator dieser Ausstellung, gegenseitig die Worte in den Mund gelegt.
Ein freundlicher Herrenabend, garniert mit Musik und Sketchen. Draußen vor dem Karlstorbahnhof lungert ziemlich unschlüssig ein immer noch – obwohl 73 Jahre alt – drahtiger Mani Neumeier herum. Aus dem Rucksack des Guru-Guru-Chefs ragen ein paar Trommelstöcke, und dann fragt die Kultfigur des psychodelischen Rock mit großen Augen: "Wo ist denn hier das Wilde, ich höre die nur reden. Das ist ja richtige Provinz."
Manfred Metzner, der Inspirator dieser Veranstaltung, hat immer wieder betont, er habe sich bewusst für Heidelberg als Lebens- und Arbeitsort entschieden, für die Provinz. Sein gar nicht so unbescheidenes Motto: "Ich bleibe so lange in der Stadt, bis man es ihr anmerkt." Ein Satz wie in Stein gemeißelt. In der Tat gibt es einige Dinge in Heidelberg, die auch heute noch Metzners Handschrift tragen: der Verlag Das Wunderhorn, die Heidelberger Literaturtage, die Initiative für ein Literaturhaus, um nur einige zu nennen. Darüber hinaus ist Metzner unter anderem Herausgeber des Werkes von Philippe und Ré Soupault, Träger des französischen Verdienstordens "Officier de l'Ordre National du Mérite", ehemaliger Vorsitzender und Preisträger der Kurt-Wolff-Stiftung, führendes Mitglied im Arbeitskreis Heidelberger Literaturtage, Sprecher der Festivalregion Rhein-Neckar, Lehrbeauftragter an der Universität Heidelberg und, und, und ... "Männe" Metzner, der Kulturfunktionär mit großem Radius.
"Männe" Metzner begegnet dem Besucher, wo er nur hinschaut
Aber gerade die "Träger großer Radien" zeichnen sich manchmal dadurch aus, dass sie in einer Art permanenter Selbstreferenz kreisen. Bei Metzner tritt dieser Drang in der Ausstellung zu den "wilden 70ern" überdeutlich zutage. Der Kurator, sozusagen als exemplarisches kulturpolitisches Gesamtwerk, begegnet dem Besucher, wo er nur hinschaut: <link https: www.youtube.com _blank>Metzner als Verleger, Metzner als "Carlo Sponti"-Verkäufer, Metzner als Stadtrat, Metzner als OB-Kandidat, Metzner als Fotograf, Metzner als Postkartenproduzent, Metzner als Inhaber der "Sammlung Metzner", Metzner als Moderator, Metzner und der Internationalismus, Metzner als Führer durch die Ausstellung, Metzner in der Ausstellungszeitung.
8 Kommentare verfügbar
Dierk Helmken
am 09.09.2014Kann die Kritik von Damolin nur bestätigen.
Als pensionierter Richter, der damals Referendar und junger Richter und Staatsanwalt war, ist mir das fast gänzliche Fehlen der Darstellung des unheilvollen Wirkens von auch und gerade der Justiz…